Wie weit darf man gehen?

Frage:

Zuerst einmal möcht‘ ich euch sagen, dass ich das YOU! sehr gern lese … Ihr schreibt ja öfters, dass Sex vor der Ehe verboten ist. Und ich finde das eigentlich auch okay. Nun stellt sich aber für mich die Frage: Was zählt bei der Kirche zu Sex? Damit meint man ja eigentlich richtigen Geschlechtsverkehr. So heißt das dann also, dass Petting ja „erlaubt“ sein müsste. Wie weit darf man also vor der Ehe gehen? Ist es zum Beispiel eine Sünde, sich vor der Ehe seinem Partner nackt zu zeigen?

Antwort:

Wer einmal Jesus begegnet ist, der spürt so wie du, dass es bei Sex um so viel mehr geht, und man möchte gern alles so machen, wie es Gott für uns gedacht hat. Und du hast Recht, dass die Kirche aufgrund der Bibel da eine Richtlinie vorgibt, an die man sich als gläubiger Mensch halten möchte. In der Theorie klingt das auch vernünftig, aber wenn man dann einen Freund bzw. eine Freundin hat, dann merkt man, dass das gar nicht so leicht ist. Da kommen dann die Fragen, die du stellst. Man hat sich ja wirklich gern und möchte sich ganz nah sein, und das ist ja auch etwas Wunderbares! Und trotzdem liegt gerade in der körperlichen Anziehung die Challenge, dass wir hier nicht in das Gegenteil von Liebe rutschen – dass wir nämlich nur die schönen Gefühle für uns selber suchen. Dann fangen wir meistens gern an, mit unserem Gewissen zu verhandeln und uns fragen, was gerade noch „erlaubt“ ist…

Zuerst einmal allgemein. Offiziell versteht man unter Sex alle sexuellen Handlungen, also auch Petting, damit meint man im Grunde das gegenseitige Berühren der Genitalien und das Stimulieren der Geschlechtsorgane. Und aus vielen Gründen weist die Kirche darauf hin, damit bis zur Ehe zu warten. Wo ist aber die Grenze zwischen Zärtlichkeit und schon Sex haben? Wo geht es über Zärtlichkeit hinaus?

Ich glaube, es ist wichtig, dass der Ausgangspunkt für diese Frage nicht so sehr „die Sünde“ ist, also was eben „verboten“ oder „gerade noch nicht verboten“ ist. Wir müssen vielleicht auch verstehen, was mit diesem Wort „Sünde“ gemeint ist. Bei Sünde geht es letztlich nicht um irgendein Verbot. Sünde ist im Grunde alles das, wo wir hinter der echten Liebe zurückbleiben. Es ist ein Mangel von dem, was wahr und real ist. Daher geht es vielmehr darum, den positiven Weg einer echten Zärtlichkeit zu finden, die eben nicht darauf schaut, was ich noch für mich herausholen kann, sondern auf das, was der echten Liebe entspricht.

Echte Zärtlichkeit hat einen großen Respekt und drückt das aus, wo man in der Freundschaft, in der Beziehung gerade steht. Wichtig ist, dass das zusammenpasst. Erst dann ist es echt. Solange man sich noch nicht ganz für den anderen entschieden hat, eben solange man noch nicht verheiratet ist, gibt es diese respektvolle Distanz, über die man sich nie hinwegtäuschen darf. Leider sind heute so viele Paare körperlich schon so nah, kennen sich aber innerlich noch fast gar nicht. Die schönen äußeren Gefühle können sehr gut über Unterschiede hinwegtäuschen und man lernt nie zusammenzuwachsen, bzw. man kann nie prüfen, ob man wirklich innerlich zusammenpasst. Man macht sich nämlich so schnell etwas vor.

Wenn du nun von Sünde sprichst, dann ist das das, was sich bei jedem persönlich abspielt. Da geht’s zuerst schon um den inneren Blick auf den anderen, um das Herz. Jesus sagt das sehr konkret in der Bibel, dass es schon Sünde ist, den andern „lüstern anzusehen“. Auch wenn das ein unmodernes Wort ist, jeder weiß, was damit gemeint ist. Nicht das Nackt-Sein, nicht irgendwie, mehr oder weniger anzuhaben, ist eine Sünde, sondern der innere Blick. Und da muss sich jeder ganz ehrlich im Herzen selber fragen und auch jeder selber dran arbeiten. Als Mädchen hast du aber auch eine besondere Verantwortung, weil du mit deinem Körper, wie du weißt, noch mal eine viel stärkere Wirkung auf Männer hast als umgekehrt.

Stell dir mal vor, du bist an einem wunderschönen Strand und beobachtest und staunst über den Sonnenuntergang. Du spürst die Schönheit, die echte Selbstlosigkeit, die unendliche Weite, ja du erspürst in gewisser Weise Gott selbst. Genau so sollte es sein, wenn es um die Zärtlichkeit geht, wenn du mit deinem Partner zusammen bist. Die Frage soll nie bloß sein: „Wie weit darf ich gehen?“, sondern jeder soll sich selbst immer die Frage stellen: „Wie weit habe ich die Haltung des Sonnenuntergangs dem anderen gegenüber?“

Vielleicht geht das nicht von heut auf morgen. Aber das wäre die Einladung bzw. die Herausforderung der Kirche. Und sie hilft euch dazu, indem sie euch ermuntert zum Gebet, indem sie euch immer wieder neu anfangen lässt durch die Beichte und indem sie euch im Herzen verwandelt durch die Eucharistie.

Also, denk daran: Es geht nicht darum, dass „es gerade noch keine Sünde ist“, es geht um den Sonnenuntergang…

Quelle: YOU!Magazin, Sept./Okt. 2021, S. 37 | Text: YOU!Helpline
2023-03-17T15:08:57+01:00
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