Frage:
Wie steht ihr dazu, nach einer gescheiterten Beziehung eine neue aufzunehmen? Eine Rückkehr in die Ehe ist wohl aussichtslos, bin getrennt lebend seit mehr als 4 Jahren… Habe von zwei Priestern völlig unterschiedliche Antworten erhalten… einmal allein bleiben oder max. „Josefsehe“… Der andere fragte mich, ob ich denn jemand kennen würde, da das Allein-Sein gar nicht gut für mich wäre… Naja… sehe ich ähnlich. Ist einfach eine traurige Aussicht. – Ein 53-Jähriger
Antwort:
Welche Antwort möchte Ihnen die Kirche geben? Zuallererst: dass wir die Zusage haben, dass Christus immer mit uns ist. Er lässt uns nicht allein, gerade auch dann, wenn das Leben gebrochen ist. In diesen Situationen wird Glaube für uns sehr konkret. Wir haben immer diese beiden Möglichkeiten: Vertraue ich auf sein Wort, auf seine Zusage, auch wenn es uns Angst macht oder wir uns überfordert fühlen, oder versuche ich, mir mein Glück selbst in die Hand zu nehmen, was vielleicht manchmal wie ein leichterer Weg aussieht?
Ich kenne Ihre Situation nicht genau. Haben Sie vielleicht schon die Möglichkeit einer Annullierung in Erwägung gezogen? Das bedeutet, zu prüfen, ob Ihre Ehe gültig geschlossen worden ist. War auf beiden Seiten etwa der Wille zur Treue oder zu Kindern da, etc.? Es gibt manche Gründe, wo eine Ehe gar nicht gültig geschlossen werden konnte. In solchen Fällen kann die Ehe als ungültig erklärt, also annulliert werden.
Ich gehe aber jetzt dem anderen Fall aus, dass Sie und Ihre Frau beide mit einer echten und freien Entscheidung und allen nötigen Voraussetzungen geheiratet haben. Dann wäre die Ehe vor Gott immer noch gültig, auch wenn Sie getrennt leben. Ist das in diesem Fall eine Verurteilung zu einem unerfüllten Leben?
Papst Benedikt hat einmal gesagt: „Wer Christus in sein Leben eintreten lässt, verliert nichts, gar nichts, absolut nichts von dem, was das Leben frei, schön und groß macht.“ Es ist verständlich und so nachvollziehbar, dass das Allein-Sein einem Angst macht. Danke, dass Sie hier so Ihr Herz öffnen. Und es ist sehr verständlich, dass wir uns in so einer Situation die Frage stellen: Gibt es noch eine Hoffnung für mein Leben? Was ist meine Aussicht, wenn ich als gläubiger Katholik, meine Ehe ernst nehmen und nicht noch einmal heiraten möchte? Vielleicht hätten wir gern, dass wir jemanden in der Kirche finden, der uns irgendwie sozusagen die „Erlaubnis“ gibt, wieder heiraten zu „dürfen“. Ich möchte Sie aber einladen, den Blick auf Ihre Situation vielleicht in einem anderen Licht zu sehen. Es geht ja nicht um ein „Gesetz“, das jemand irgendwie aufgestellt hat und wir erfüllen sollen, sondern vielmehr geht es darum, dass wir wirklich dieses „Leben in Fülle“ finden, das Christus uns versprochen hat.
Versuchen wir daher, unseren Glauben nicht aus einem „gesetzlichen Blick“ zu sehen. Also, nicht aus dem Blick: „Was darf ich oder was darf ich nicht…?“ Diesem Gesetzesdenken begegnet auch Jesus in einem Gespräch mit den Gesetzeslehrern, und er versucht in seiner Antwort darauf zu verweisen, dass es nicht um eine „Regel“ geht, sondern darum, wie und wofür wir von Gott gemacht sind. „Darf man“, so wird Jesus im Matthäusevangelium gefragt, „seine Frau aus der Ehe entlassen?“ Und Jesus antwortet: „Am Anfang war das nicht so… Habt ihr nicht gelesen, dass der Schöpfer sie am Anfang männlich und weiblich erschaffen hat und dass er gesagt hat: Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die zwei werden ein Fleisch sein? Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen.“ Jesus verweist bei dieser Frage an den „Anfang“, also darauf, wie Gott sich das eigentlich gedacht hat. Verstehen wir nun diese Aussage Jesu als zu streng, als zu unbarmherzig? Wenn Jesus so etwas sagt, dann meint er das jedoch nie als Anklage sondern vielmehr als Ruf zum Guten. Damit wir verstehen, wie wir funktionieren, wie wir gemacht sind, wie unser Leben gelingen kann.
Wie ist das zum Beispiel bei den Naturgesetzen, etwa der Schwerkraft? Niemand würde einen Naturwissenschaftler als streng kritisieren, nur weil er auf das „Gesetz der Schwerkraft“ hinweist. Vielmehr können wir den besten Nutzen aus diesem Gesetz ziehen, wenn wir wissen, wie die Schwerkraft funktioniert. So sind auch Gottes Gesetze zu unserem Nutzen, damit wir verstehen, wie wir funktionieren, wie wir zu unserem eigentlichen Lebensziel und unserer Erfüllung kommen. Die Antwort auf unser Leben ist, dass wir von Gott geschaffen sind, weil er uns liebt, und dass er mit uns eine Liebesbeziehung eingehen möchte. Wir sind geschaffen für das Unendliche. Und nichts, was hier auf Erden ist, kann diese Sehnsucht stillen, weil alles endlich ist. Auch die schönste Ehe kann nicht alles geben. Auch der wundervollste Partner ist nicht die letzte Erfüllung. Die Ehe, so wie wir Christen sie verstehen, ist vielmehr ein Vorgeschmack, ein Weg, ein Abbild für die Liebe, die Gott zu uns hat.
Unser Ziel – unser aller Ziel – ist die „Ehe“ mit Gott, diese unendliche Ekstase in der Liebe der Dreifaltigkeit. Die Ehe ist ein Bild, ein Hinweis, ein Zeichen dafür. Wir sagen ein „Sakrament“, also ein „geheimnisvolles Zeichen“ dafür, wie Gott uns liebt. Wie ein Bräutigam seine Braut. Nun finden Sie sich aber in einer Situation wieder, wo es, aus welchen Gründen auch immer, zu einer Trennung gekommen ist. Können Sie in dieser Situation Ihre Ehe noch leben? Können Sie das Sakrament, dieses Bild für die Liebe Gottes, jetzt noch leben, obwohl eine „Rückkehr eher aussichtslos ist“, wie Sie geschrieben haben?
Die Bibel spricht davon, dass Gott uns liebt wie ein Bräutigam seine Braut, und dass er treu ist, auch wenn seine Braut nicht treu ist. Und das sind wir. Ich möchte Ihnen diesen Gedanken mitgeben: Sind Sie nicht in Ihrem Fall genau in der Situation, die Gott mit uns Menschen lebt? Wir leben so oft von Gott getrennt. Der Mensch hat sich von ihm entfernt. Was macht Gott? Er bleibt seiner Braut treu. Sie können nicht die Entscheidung Ihrer Frau beeinflussen, ob sie jemals wieder zu Ihnen zurückkommen möchte. Aber Sie selbst können sich entscheiden, treu zu bleiben. Genau darin, im Aushalten dieser Trennung, werden Sie ein Sakrament, ein Bild für die treue Liebe Gottes sein und so den Sinn der Ehe in einer vielleicht sogar noch tieferen Weise leben und erleben.
Kann das Angst machen? Ja, es kann uns Angst machen. Und wir können das nur in der Verbindung mit Gott leben. Sind das traurige Aussichten? Ja und Nein. Es ist legitim, traurig zu sein, weil etwas gebrochen ist, was ganz sein sollte. Aber genau das ist unser Glaube: Dass Gott in unsere Zerbrochenheit kommt. Dann ist es genau jener Ort, wo Sie Gott noch tiefer begegnen können und wo Sie genau das leben können, wo Gott Sie hingestellt hat. Fast wie eine Berufung. „Selig, die Trauernden“, sagt Jesus, „denn sie werden getröstet werden.“ Also, glücklich diejenigen, die traurig sind. Und dieses Versprechen bezieht sich nicht nur auf das Leben nach dem Tod. Immer wenn wir mit Christus in solche Situationen, die uns schmerzen, hineingehen, sie ihm öffnen, dann werden sie zu einer Quelle für einen inneren Frieden und eine tiefe Freude schon jetzt.
Ist das ein leichter Weg? Sicher nicht. Wie eine Ehe selbst auch kein leichter Weg ist. Werden Sie sich allein fühlen? Wahrscheinlich immer wieder. Aber genau diesen Schmerz können Sie zu einem Gebet machen ganz speziell für Ihre Frau. Ich weiß nicht, ob Sie gemeinsame Kinder haben. Aber Sie können Ihre Vaterschaft oder Ihr Ehemann-Sein genau darin ausüben, indem Sie Ihre Situation für Ihre Frau oder im Fall auch für Ihre Kinder Gott hinhalten. Als Christen haben wir in der Ehe die Berufung, uns gegenseitig zu dieser „Ehe mit Gott“ zu führen. Genau das können Sie jetzt in einer besonderen Weise für Ihre Frau tun, auch wenn Sie getrennt leben. Anders, aber nicht weniger wirksam. Wenn Sie Ihre Traurigkeit und Ihre Sehnsucht Gott öffnen, dann stehen Sie Ihrer Situation nicht mehr ohnmächtig gegenüber. Sie lassen alles zu einer großen Fürbitte werden.
Was uns letztlich glücklich macht, so sagt die Kirche, ist, wenn wir uns ganz geben: „Der Mensch kann sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden“ (2. Vatikanisches Konzil).
Können wir das aus eigener Kraft? Genauso wenig, wie wir eine Ehe aus eigener Kraft leben können. Der Weg ist das Gebet. Und was ist Gebet? Das Öffnen aller unserer Sehnsüchte nach Gott hin. Er ist treu. Und er wird uns nicht enttäuschen. Suchen Sie – sooft Sie können – jenen Ort auf, wo Gott sich als Bräutigam schenkt. Die heilige Messe. „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“, so heißt es hier. Wir brauchen diese Erfahrung, dass wir geliebt sind. Alles andere lassen Sie Gott machen. Er wird Sie und Ihr Leben führen. Sei es, dass Sie echte Verbundenheit in Freundschaften finden, oder dass er Ihnen zeigt, wo Sie echte Vaterschaft z.B. in einer Gemeinschaft leben können. Seien Sie offen für das, was Gott für Sie bereithält. Durch das bewusste Zustimmen zu Ihrer Situation wird das zu einem ganz konkreten Gebet für Ihre Frau und Ihre Ehe. Es wird Frucht tragen. In diesem Leben. Und in der Fülle für die Ewigkeit, wo Ihre Frau das dann alles sehen wird.
AUTOR DES TEXTES:
Michi Cech
seit 1998 Chefredakteur von YOU! Magazin, seit 2017 verheiratet und Vater zweier Kinder.