Was bedeutet „eheliche Keuschheit“?

Frage:

Können Sie Literatur empfehlen oder Tipps weitergeben zum Thema „eheliche Keuschheit“? Als junges verheiratetes Paar suchen wir Informationen dazu.

Antwort:

Liebes junges Ehepaar!

Die Tatsache, dass ihr euch Gedanken darüber macht, finde ich als Zeichen von Reife und von einem großen Wunsch, die Ehe christlich leben zu wollen. Ich gratuliere euch dazu!

Zunächst muss man klarstellen, was Keuschheit ist bzw. nicht ist: Keuschheit ist nicht gleichzusetzen mit Enthaltsamkeit. Jeder Mensch ist zur Keuschheit berufen, aber nicht jeder zur Enthaltsamkeit. Keuschheit ist eine Tugend und hat je nach Lebensstand eine andere Form (vgl. KKK 2337ff.).

Im Dokument 127 vom Päpstlichen Rat für die Familie vom 13.Mai 1996 

lesen wir:

„Die Keuschheit ist das frohe Bekenntnis dessen, der die Selbsthingabe frei von jeder Knechtschaft des Egoismus zu leben vermag.“

„Dies setzt voraus, dass der Mensch gelernt hat, die Person des anderen wahrzunehmen, sich auf sie einzulassen und dabei ihre Würde in der Andersartigkeit zu achten. Der keusche Mensch kreist weder um sich selbst, noch sind seine Beziehungen zu anderen Personen egoistischer Natur.“

„Die Keuschheit bringt die Persönlichkeit zur Harmonie, lässt sie reifen und erfüllt sie mit innerem Frieden. Diese Reinheit des Geistes und des Körpers hilft uns, zu echter Selbstachtung zu finden, und befähigt uns gleichzeitig dazu, die anderen zu achten, denn in ihnen zeigt sie uns Personen, die Anspruch haben auf unsere Ehrerbietung, weil sie nach dem Bilde Gottes geschaffen und durch die Gnade Kinder Gottes sind, neugeschaffen von Christus, ‚der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat‘ (1 Pet 2,9)“ (Nr. 17-18).

Keuschheit betrifft also unser ganzes Leben und alle unsere Beziehungen. In der Ehe betrifft es nicht nur die Sexualität, sondern auch unseren Alltag mit dem Partner.

Konkret ein paar Beispiele, wie man das umsetzen kann:

  1. Die Person des anderen als von Gott geschaffenes Geschöpf sehen.Am Tag der Hochzeit gibt es einen Brautführer – für Mann und Frau – und das ist Jesus, der uns den anderen anvertraut hat: an diesem Tag, bis der Tod uns scheidet. Der andere ist sein Geschöpf, und wir haben die Aufgabe, ihm oder ihr zur Heiligkeit zu verhelfen. Die Person des anderen zu sehen ist einer der schwierigsten Aufgaben, die es gibt. Manchmal hilft es, sich die Frage zu stellen: Wie sieht Jesus diese Person? Mit der Brille der Liebe Christi den anderen zu betrachten… eine lebenslange Aufgabe, wozu ich nur ermutigen kann.
  1. Den anderen um seiner selbst willen lieben. Schon ihn verändern zu wollen wäre eigentlich „unkeusch“, weil es von egoistischer Natur geprägt wäre. Er oder sie soll sich verändern, damit es mir besser geht. Den andern anzunehmen, wie er ist, ist die größte Herausforderung. Was hilfreich sein kann, ist, sich die Frage zu stellen, wenn man etwas beim anderen schwer erträgt: Wieso ärgere ich mich so darüber? Wieso nehme ich es persönlich? Kann das ein Verhalten sein, was ich auch bei anderen kenne und ich mich ebenfalls darüber ärgere? Manchmal entdeckt man Muster in der Herkunftsfamilie, die sich wiederholen und mit denen man schon lange ringt.
  1. In der Sexualität das richtige Ziel vor Augen haben.Meistens haben die Männer eher die Lust als Ziel oder die Frauen ein Kind. Das ist dann „unkeusch“, wenn man allein die Lust sucht oder nur zusammenkommen möchte, weil man ein Kind will. Denn das Ziel ist die Liebe zum anderen, sich für ihn oder sie dieses Gut zu wünschen. Dann ist auch das Kind Frucht dieser gegenseitige Liebe. Interessant ist dabei, dass auch die Sexualwissenschaft das bestätigt, denn sie besagt: Wenn man nur die Befriedigung der Lust im Kopf hat, führt das oft zu einer unerfüllten Sexualität.
  1. Sich immer wieder durch den Heiligen Geist erleuchten lassen (vgl. Nr. 21 des oben erwähnten Dokuments)Wir benötigen eine Ehespiritualität, die wir am besten gemeinsam pflegen. Dazu zählen das Sakramente der Beichte, die uns hilft, uns selbst besser zu erkennen und wieder aufzustehen. Weiters die Gabe der Ehrfurcht (donum pietatis) sowie die Gabe der Frömmigkeit. Das klingt, als wäre es nur für Priester oder Klosterschwestern, aber der Heilige Johannes Paul II sagt in der Katechese 132 (der Theologie des Leibes):

Die Ehrfurcht vor dem, was von Gott geschaffen wurde, befreit von diesem Zwang; sie befreit von allem, was das andere Ich zum bloßen Objekt des Gebrauchs reduziert; sie stärkt andererseits die innere Freiheit des Geschenks.“

Um Ehrfurcht vor dem, was Gott geschaffen hat, zu haben, ist ein geistiges Leben erforderlich. Wenn wir den Künstler kennen, verstehen wir auch besser seine Werke, könnte man sagen. Also kennen wir Jesus besser (durch das Gebet, das Bibellesen, die Sakramente…), dann verstehen wir uns und den anderen. Dann verstehen wir, dass uns das Leben als Gabe geschenkt wurde und uns zur Hingabe ruft. Das ist auch Aufgabe für unser ganzes Leben, denn indem wir lieben und uns hingeben, finden wir uns selbst, dann sehen und erfahren wir, dass wir dazu geschaffen wurden – die Frau in ihre Weiblichkeit und der Mann in seiner Männlichkeit.

Alles Gute und Gottes Segen für euren weiteren Weg!

Literaturempfehlungen:

Menschliche Sexualität: Wahrheit und Bedeutung (Dokument 127 vom Päpstlichen Rat für die Familie)

Katechismus der Katholischen Kirche (Nr. 2337 ff.)

„Reine Intimität – Pure Intimacy“ (Kindle Ausgabe)
von Jason Evert

Chastity before marriage fosters chastity in marriage
auf Chastity.com

„Chastity – Reconciliation of the Senses“
von Erik Varden (Bischof von Trondheim)
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Social Media:

Was ist das Geheimnis einer christlich gelebten Sexualität? – Salz & Segen

Sexualität in der Spannung zwischen Hingabe und Begehren– Radio Horeb

Jason Evert on chastity, pornography and gender – Salz & Segen/Salt & Blessing

I want to continue loving my husband but I sometimes worry that I’m using him in the marital embrace. What helps you keep the spiritual reality of the marital embrace at the forefront?(Question 2) – Ask Christopher West

What’s allowed and not allowed in marriage? (Teil von Ask Jason Anything)– Chastity.com

The difference between love and lust – Theology of the Body Institute

Avoiding impurity – Fr. Mike Schmitz– Ascension Presents

How can my wife and I grow in intimacy during periods of abstinence? – Ask Christopher West

Anna Spandri

AUTORIN DES TEXTES:

Anna Spandri

verheiratet, Mutter von 12 Kindern,
Sexualpädagogin ESSP,
Akad. Referentin für Theologie des Leibes, München

2024-02-21T15:38:26+01:00
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