Verhütung ist sicher das Thema, das in Bezug auf die Kirche am heftigsten diskutiert wird. Die katholische Kirche ist ja so ziemlich die einzige Institution, die bis heute daran festhält, dass Verhütung falsch ist. Das wird nicht nur von außen kritisiert, auch innerhalb der Kirche wird gestritten, ob das noch „zeitgemäß“ ist. In der „Theologie des Leibes“ hat Papst Johannes Paul II. versucht zu erklären, warum die Kirche dieser Meinung ist. Warum Verhütung für den Menschen, insbesondere für die Eheleute, nicht gut ist. 5 Punkte dazu.
#1
Historische Bombe
Zuerst müssen wir einen kleinen Blick in die Geschichte machen, um den Streit um Verhütung zu verstehen. In den 60er Jahren kam es mit der Einführung der Pille zur „sexuellen Revolution“. Die Pille wurde als „die große Freiheit“ gefeiert. Jetzt konnte man sozusagen nach Belieben Sex haben, ohne die Konsequenz schwanger zu werden. Zeitgleich gab es in der Kirche das große Zweite Vatikanische Konzil, wo es zu vielen Neuerungen kam. Viele dachten sich nun, dass die Kirche ihre Einstellung zur Sexualität hier ändern würde. Dann aber, 1968, schrieb der damalige Papst Paul VI die Enzyklika „Humanae Vitae“, ein offizielles Lehrschreiben, wo er klarstellte, dass künstliche Verhütung nicht vertretbar ist. Dieses Schreiben schlug damals ein wie eine Bombe und die ganze Welt empörte sich über die Haltung der Kirche. Etwa 20 Jahre später veröffentlichte Papst Johannes Paul II die „Theologie des Leibes“, wo er das ganze Thema noch einmal ausführlich zu erklären versuchte. Heute, mehr als 50 Jahre danach, gibt es immer noch viel Diskussion. Jedoch kommen immer mehr Menschen zu dem Schluss, dass Paul VI mit „Humanae Vitae“ eigentlich recht hatte.
#2
Das Problem mit Verhütung
Das eigentliche Problem bei der Verhütung ist, dass wir in unserer Haltung dabei Sex von der Fruchtbarkeit trennen. Das ist ja das Ziel von Verhütung, dass man nicht schwanger wird. Die Kirche ist aber überzeugt, dass es von der Natur her, also von Gott her, zwei Bedeutungen von der sexuellen Vereinigung gibt: die „vereinigende“ und die „elterliche“ Bedeutung, also die Verbindung des Paares in der Liebe und die Fruchtbarkeit. Diese beiden Bedeutungen dürfen aber nicht getrennt werden. Verhütung sagt: Ich will mich dir schenken, aber nicht ganz. Ich will dich lieben, aber deine Fruchtbarkeit liebe ich nicht. Für die Kirche ist Sex immer ein Ausdruck der Liebe. Aber die Liebe respektiert die andere Person immer mit allem, was sie ist. Sonst wird Sex schnell auf die eigene Befriedigung reduziert. Das macht den eigenen Leib oder auch den Partner zu einer Sache, die ich einfach „benutze“. Das aber ist immer das Gegenteil von Liebe.
#3
Du bist meine Frau. Du bist mein Mann.
Bei der Frage um Verhütung geht es der Kirche natürlich in erster Linie um die Ehepaare, also verheiratete Paare. Denn gerade weil Sex diese beiden Bedeutungen hat, Vereinigung und Fruchtbarkeit, ist Sex Ausdruck der Ehe. Wenn ich mit einer Person schlafe, dann sage ich ihr nämlich eigentlich damit: „Du bist meine Frau bzw. du bist mein Mann!“ Darum warten wir als Christen auch mit Sex bis zur Ehe. Einfach weil es vorher nicht stimmt, was ich mit meinem Leib sage. Um es klarzustellen: Die Kirche sagt nicht zu Jugendlichen: „Habt Sex, aber verhütet nicht!“ Sondern: „Heb dir dieses Geschenk der Sexualität für deinen Ehepartner auf!“ Dann stellt sich die Frage nach Verhütung erst danach. Viele sagen hier: „Das kann man Jugendlichen doch nicht zumuten. Schauen wir nur auf hohen Abtreibungszahlen!“ Aber stimmt das? Können wir das nicht so leben oder wollen wir das nicht? Hunde und Katzen kastrieren wir, weil Tiere eben nicht Nein sagen können. Aber macht das nicht gerade uns Menschen aus, dass wir verantwortlich entscheiden können, etwas zu tun oder nicht zu tun? Sind es nicht gerade wir Jugendliche, die eine Sache durchziehen können, wenn sie uns wirklich wichtig ist?
#4
Ist die Bedeutung von Sex so wichtig?
Es stellt sich natürlich die Frage, ob die Bedeutung von Sex wirklich so wichtig ist. Bei all dem ist eines immer wichtig, sich vor Augen zu halten: nämlich dass Gott – und damit auch die Kirche – einzig möchte, dass wir unser Glück und unsere Erfüllung finden. Es geht ja nicht darum, nur irgendein „System“ oder eine „Regel“ zu erfüllen. Wie wichtig es für uns ist, die Bedeutung von Sex richtig zu leben, das spüren wir eigentlich sehr deutlich dann, wenn der Partner fremdgeht. Fremdgehen ist per Definition, dass der Ehepartner mit einer anderen Person Sex hat. Bei der Hochzeit versprechen wir: „Ich will dir treu sein!“ Und dieses Versprechen wird genau dann gebrochen, wenn der Partner mit jemand anderem Sex hat. Nicht, wenn er etwas anderes macht, sondern Fremdgehen heißt eben Sex mit wem anderen. Es ist uns in diesem Punkt absolut nicht egal, welche Bedeutung Sex hat. Genauso versprechen wir bei der Hochzeit: „Wir wollen die Kinder annehmen, die Gott uns schenkt.“ Sex hat also auch die Bedeutung der Fruchtbarkeit. Wir übersehen diese Bedeutung oft, obwohl sie viel offensichtlicher ist. Die Natur, also Gott, hat es so großartig eingerichtet, dass wir gerade in dem größten Moment der liebenden Vereinigung von Mann und Frau auch neues Leben zeugen können. Papst Johannes Paul II nennt das die „Sprache des Leibes“: Liebe ist fruchtbar. Nicht egoistisch. Liebe gibt sich. Wenn Sex Ausdruck der Liebe ist, dann muss auch diese Offenheit zur Fruchtbarkeit zum Ausdruck kommen. Hier sagen wieder einige: „Ich kann ja prinzipiell offen für Kinder sein und trotzdem manchmal verhüten.“ Aber ist das nicht genauso, wie wenn jemand sagt: „Ich bin natürlich treu, aber das heißt doch nicht, dass jeder Sex nur mit meiner Frau sein muss…“? Darum sagt uns die Kirche: Liebe und Fruchtbarkeit können wir nicht voneinander trennen, ohne dass es uns schadet.
#5
Verantwortlich Eltern werden
Wenn Sex die Bedeutung hat, offen für die Fruchtbarkeit zu sein, heißt das dann, dass Eheleute nur miteinander schlafen können, wenn sie ein Kind zeugen wollen? Nein. Die Kirche sagt sehr deutlich, dass Gott es so eingerichtet hat, dass die Fruchtbarkeit der Frau in einem Zyklus verläuft, den wir beobachten können. Wenn man sich an diesem Zyklus orientiert und in den paar Tagen im Monat, wo ein Kind entstehen kann, aus guten Gründen auf Sex verzichtet, spricht man von der „natürlichen Regelung der Empfängnis“ oder von „verantwortlicher Elternschaft“. Und das ist etwas völlig anderes als Verhütung. Du kannst die Ordnung der Natur, das heißt, die Schöpfung Gottes, respektieren und die Fruchtbarkeit ganz annehmen, indem du bewusst auf das Zusammenkommen verzichtest. Damit sagst du ganz Ja zur Fruchtbarkeit. Oder du kannst dieses Zeichen der liebenden Vereinigung künstlich manipulieren und damit Sex eine ganz andere Bedeutung geben, indem du Nein sagst zur Fruchtbarkeit. Johannes Paul II sagt: „Wenn der eheliche Akt seiner inneren Wahrheit beraubt wird, weil er künstlich der potenziellen Elternschaft beraubt wird, hört er auch auf, ein Akt der Liebe zu sein.“ Wir alle sehnen uns nach der echten Liebe. Und jeder muss hier für sich seinen Weg finden. Die Theologie des Leibes ermutigt uns aber, ehrlich in uns hineinzuspüren, was uns die Natur, der Leib, Gott hier zu sagen haben.
Quelle: YOU!Magazin, Juli/Aug. 2020, S. 38-39
AUTOR DES TEXTES:
Michi Cech
seit 1998 Chefredakteur von YOU! Magazin, seit 2017 verheiratet und Vater zweier Kinder.