Von der egoistischen Begierde zum reinen Blick…

Leider haben wir oft nicht das beste Bild, was Kirche und Sexualität betrifft.

Vielleicht kommt das daher, dass Liebe immer mit einem gewissen Verzicht verbunden ist, und zwar mit dem Verzicht auf unseren eigenen Egoismus. Trotzdem hält die Kirche daran fest: Zur tiefen und echten Liebe finden wir nur, wenn wir uns von der egoistischen Begierde verabschieden! Wir wollen hier versuchen zu verstehen, wie das geht.

1. Die gute und die schlechte Nachricht

Die schlechte zuerst: Wir haben den Hang dazu, andere Menschen in der Liebe wie eine Sache zu benutzen. Wir brauchen da nur in unser eigenes Gewissen schauen. Und im Extremen sehen wir das in allen Formen von sexuellem Missbrauch. Warum manipulieren wir den anderen so gern? Warum behandeln wir andere oft wie eine Sache, die wir benutzen können? Gott sagt uns durch die Bibel, dass er die Welt am Anfang nicht so geschaffen hat. Erst durch das Nein zu Gott ist die egoistische Begierde in unser Herz gelangt. Und wir leben heute in diesem Zustand, wo wir in unserem Herzen in gewisser Weise immer diesen Hang zur egoistischen Begierde spüren.

Aber es gibt auch die gute Nachricht: Gott ist gekommen, um unser Herz zu verwandeln. Das ist nicht nur der Kern des Christentums, sondern das hat auch sehr viel mit unserer Sexualität zu tun. Im Katechismus steht: „Jesus ist gekommen, um die Schöpfung in der ursprünglichen Reinheit wiederherzustellen!“ (KKK 2336).

2. Sich von der Begierde verabschieden

Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern die egoistische Begierde, weil sie den anderen wie eine Sache zum Benutzen sieht. Heute wird sehr viel von Missbrauch gesprochen. Und im Grunde ist es genau das: Die Begierde ist Missbrauch der Liebe und der Sexualität! Wer einer Frau hinterherpfeift, behandelt sie wie eine Sache. Dasselbe gilt für Pornografie. Kindesmissbrauch schließlich ist vielleicht die schlimmste Folge, wenn Menschen der Begierde nachgeben. Die Bibel formuliert das auf ihre Weise eigentlich ziemlich deutlich in den 10 Geboten: „Du sollst nicht begehren deines Nächsten Frau!“ Eines ist aber klar: Gebote allein helfen uns nicht weiter und als Kirche sind wir sicher nicht die, die heute mit dem Finger auf andere zeigen können. Aber trotzdem bietet Gott uns einen Weg, das ganz anders zu leben.

3. Nur Regeln helfen uns nicht

Viele verstehen die Gebote der Kirche nur als Regeln, die man als Christ befolgen muss. Aber wir erleben es heute leider immer wieder, dass es möglich ist, „die Regeln zu befolgen“, ohne dabei jemals heilig zu werden, also ohne, dass man es vom Herzen lebt. Jesus hat das sogar einmal gesagt: „Wenn eure Gerechtigkeit nicht weit größer ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 5,20). Ein anderes Mal ist Jesus sogar noch strenger: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat im Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen“ (Mt 5,27-28). Damit sagt Jesus eigentlich: „Ihr kennt die äußeren Regeln. Aber das Problem ist, dass ihr den Wunsch habt, die Ehe zu brechen…“ Und hier sagt uns die Kirche: Wenn du Gott wirklich in dein Herz hineinlässt, dann wird er dich von innen her verwandeln!

4. Freiheit vom Gesetz

Als Christen geht es nicht in erster Linie darum, nur Regeln zu befolgen, sondern wir sind echt davon überzeugt, dass Gott uns in unserem Herzen verwandeln kann, sodass wir die Regeln nicht als Zwang sehen. Ein Beispiel: Du hast wahrscheinlich kein Verlangen, deinen Freund umzubringen. Das klingt vielleicht eigenartig, aber du brauchst hier nicht das Gebot: „Du sollst deinen Freund nicht töten“. Du empfindest es auch nicht als Gesetz und auch nicht als Zwang, denn dein Herz entspricht dem bereits. Das ist genauso mit den anderen Geboten und auch mit unserer Sexualität. Jesus sagt uns in der ganzen Bibel, dass er uns ein neues Leben schenkt, dass er uns frei macht, dass er uns seinen Geist gibt. Wir aber versuchen oft ein Christ-Sein zu leben ohne Christus! Dann wird das Christ-Sein aber verkrampft und unattraktiv. Es geht zuerst um diese Verbindung zu Jesus. Und dann können wir die Regeln auch befolgen, weil wir sie befolgen wollen!

5. Jesus Christus in uns

Je mehr wir Christus in unser Herz einlassen, desto mehr wird er uns erfüllen und verwandeln. Wie das geht? Natürlich ist das nicht nur „ein bisschen beten“ und dann klappt schon alles. Das Herz zu verändern braucht vielleicht unser ganzes Leben. Aber wenn wir uns darauf einlassen, werden wir die Erfolge sehen können. Konkret heißt es, dass du eine Entscheidung für Jesus triffst und dass du ihm erlaubst, in dein Herz ganz zu kommen. Dann braucht es echtes Gebet und die Sakramente. Vor allem die Beichte ist ein guter Spiegel, der dir immer zeigt, wo du gerade stehst und wo du noch Gottes Hilfe brauchst. Und du brauchst eine Entscheidung zur Konsequenz. Für einen Alkoholiker z.B. empfiehlt es sich nicht unbedingt, auf eine Party zu gehen, und so musst auch du klug sein, womit du dein Herz anfüllst. Jesus sagt in der Bibel: „Wenn dich dein Aug zum Bösen verführt, dann reiß es aus…“ Übersetzt heißt das, wenn dich dein Smartphone zum Bösen verführt, dann schau, dass du es eine Zeit lang loswirst…

6. Blick der Reinheit

Vielleicht bzw. sogar sicher braucht der Weg zu einem reinen Herzen auch den einen oder anderen Verzicht. Du kannst nicht beten: Lieber Gott mach mich schlank und gleichzeitig Mengen an Fastfood schlemmen! Auch Papst Johannes Paul II sagt, dass es „Beharrlichkeit und Konsequenz“ braucht, wenn du die Bedeutung deines Leibes und deiner Sexualität erlernen möchtest. Du kannst das auch nicht nur theoretisch machen. Du musst das tief in deinem Herzen lernen zu spüren, wo du mehr nach der egoistischen Begierde lebst als nach dem Blick der Reinheit. Vielleicht kann dir folgendes Gebet helfen: „Herr, du kennst mein Herz und meine Sehnsüchte. Du weißt, dass ich es nicht allein schaffe, die Liebe so zu leben, wie du es gedacht hast. Ich übergebe dir meine Gedanken, mein Verlangen, meinen Leib und meine Sexualität, damit du mich verwandelst und ich zur schönen und reinen Liebe finde. Amen.“

Quelle: YOU!Magazin, Sept./Okt. 2019, S. 40/41| Text: Michi Cech ist seit 1998 Chefredakteur von YOU! Magazin, seit 2017 verheiratet und Vater zweier Kinder.
2023-03-18T21:45:47+01:00
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