Bei unserer Zoom-Diskussion im YOU! Team haben wir zwei Jugendliche eingeladen. Michael aus Stockerau. Er geht regelmäßig in einen Bibelkreis. Und Fiona aus Klosterneuburg. Sie kann sich mit Kirche momentan nicht so identifizieren.
Fiona: Meine Erfahrung ist, dass als erster Schritt immer dieses Gefühl da ist. Und dann muss auch die Entscheidung getroffen werden, dem Gefühl nachzugehen oder vielleicht auch etwas aufrecht zu erhalten, wo das Gefühl nicht mehr so stark da ist wie am Anfang. Für mich ist es von diesem Gefühl ausgehend die Bereitschaft, die Entscheidung zu treffen. Und sich immer wieder dafür zu entscheiden, auch wenn es vielleicht einmal anstrengend ist.
Tanja: Ich finde, Liebe ist schwer definierbar, weil es so vieles ist. Auf jeden Fall ist es etwas Zwischenmenschliches. Etwas, was jeder Mensch haben will.
Annalena: Liebe ist so ein großes Wort. Ich würd unterscheiden zwischen Freundschaft und romantischer Liebe. Und ich liebe meinen Bruder anders als meinen Freund. Trotzdem ist ja beides Liebe… Oder die Liebe zu Gott… Vielleicht müssen wir den Begriff unterteilen.
Michael: Ist Liebe nur zwischen Menschen? Wenn jemand gerne malt, dann liebt er ja auch das Malen. Ist das nicht auch eine Liebe oder nur ein Ausdruck, der sagt, wie gern man etwas macht?
Sonja: Liebe motiviert uns, etwas zu tun. Etwas zu machen, ist dann auch eine Liebe. Was uns im Innern bewegt.
Michi: Vielleicht könnte man es so zusammenfassen, dass alle Arten von Liebe Dinge sind, die uns anziehen. Irgendetwas hat eine Anziehung auf uns. Manchmal ist es ein anderer Mensch, manchmal eine Tätigkeit. Aber es gibt sicher einen Unterschied, welchen Wert diese Arten jeweils haben.
Ines: Es ist etwas anderes einen Menschen zu lieben als eine Sache. Wenn du Dinge liebst, dann bezieht sich das nur auf dich selbst. Eine Liebe zwischen Menschen ist immer auf jemand anderen gerichtet. Da müssen wir uns immer fragen: Ist es eine gebende Liebe oder ist es etwas für mich? Ich denke mir, eine Liebe darf eigentlich nichts voraussetzen.
Michi: Was heißt, bedingungslos zu lieben? Es stimmt, dass ich in einer Beziehung an den anderen denken muss. Aber trotzdem hat es ja etwas mit mir zu tun. Gibt es daher wirklich die selbstlose Liebe? Ist es nicht trotzdem immer etwas, was für mich ist?
Annalena: Du hast gesagt, Liebe macht etwas mit uns. Liebe verändert uns, egal ob ich sie gebe oder sie haben will. Daher kann ich Liebe auch suchen, damit sie mich verändert.
Tanja: Klingt das aber nicht eher egoistisch? Ich suche die Liebe, damit sie mir etwas bringt. Vielleicht ist es aber so, dass Liebe einem geschenkt wird. Darum ist es ja mehr etwas, was einem „passiert“ und nicht, was man so aktiv suchen kann. Wie seht ihr das?
Ines: Ich kann etwas aus Liebe tun, und dem anderen bringt das überhaupt nichts. Oder für mich selbst ist etwas kontraproduktiv und trotzdem kann ich es aus Liebe tun. Ist das nicht sehr individuell? Man kann nicht wissen, ob das, was ich als Liebe annehme, für den anderen wirklich so ist.
Markus: Aber wenn man etwas aus Liebe macht, glaubt man immer, dass das Gegenüber das auch als Liebe aufnimmt. Ich mache etwas, weil ich glaube, dass der andere das gern hat.
Michi: Das heißt, Liebe ist mit der Wahrheit verbunden. Wenn ich lieben will, muss ich schauen, wo die Wahrheit ist. Das ist ein guter Punkt. Wir glauben, wir machen dem anderen etwas Gutes, und dann ist es für ihn gar nicht so.
Fiona: Ich hab ein Buch gelesen, wo es heißt, dass man sich selbst auch als komplett sehen muss und eine Liebe nicht nur deshalb sucht, um seine sozusagen bessere Hälfte zu finden. Man muss einsehen, dass man auch allein ein ganzer Mensch und wertvoll ist, nicht erst durch eine Partnerschaft oder eine zweite Person. Das muss man erkennen, damit eine Liebe auch gesund sein kann. Man darf nicht abhängig sein voneinander. Ich muss von vornherein lernen: Ich bin ein ganzer Mensch, ich darf auch alleine sein und ich bin alleine komplett. Aber vielleicht ist es schöner mit einer zweiten Person oder vielleicht kann ich mich anders auch kennenlernen.
Michi: Das stimmt, Beziehungen können zerbrechen, wenn sich einer in ungesunder Weise vom anderen abhängig macht. Für mich ist es ein eher prinzipieller Gedanke, dass wir als Menschen einfach auf ein anderes Wesen hin geordnet sind. Auf jemand anderen, der uns erfüllt. Aber wenn man sich die ganze Erfüllung von einem Menschen erwartet, dann geht das nicht, weil der andere auch nur ein endlicher Mensch ist. Es ist eine Erwartung, die der andere nicht erfüllen kann. Wir sind einerseits allein nicht ganz komplett, aber andererseits ist der andere auch nicht die ganze Erfüllung.
Sonja: Vielleicht ist der Punkt der, dass man sich selbst besitzt, indem man sich gibt. Egal in welcher Beziehung. Dieses Geben erfüllt uns und macht uns zu einem volleren Menschen.
Tanja: Heißt das dann, dass Liebe doch etwas ist, was unseren Verstand betrifft?
Michael: Wenn man Liebe in der Form von Emotionen betrachtet, ist es so, dass Emotionen und Verstand wenig zusammenhängen, aber wenn man Liebe als Entscheidung sieht, hängt das schon mit Verstand zusammen. Ich denke, dass Liebe ein Kompromiss aus Emotionen und Entscheidung ist. Ein Mischmasch.
Fiona: Das hat uns jetzt wieder zur Frage vom Anfang zurückgebracht. Ist es unser Verstand, der uns sagt, ich entscheide mich dafür, oder ist es vielleicht doch irgendwie das Herz oder die Seele oder das Gefühl, das uns sagt, ich gebe jetzt diese Liebe.
Michi: Tanja, du hast vorher gesagt, dass Liebe ein Geschenk ist, etwas, was einem zuerst mal „passiert“. Das hat auch Papst Benedikt einmal gesagt: Die Liebe ist eine Antwort auf das Geschenk des Geliebtseins. Er hat das in Bezug zu Gott gesagt. Vielleicht können wir die Liebe auch bei uns verstehen, wenn wir sie als eine Antwort sehen. Zuerst ist Liebe ein Geschenk. Das bedeutet, damit ich überhaupt lieben kann, muss es jemand anderen geben. Ohne diesen anderen würde ich nicht lieben. Einsam auf einer Insel kann ich nicht lieben, zumindest nicht real. Der andere macht sozusagen, dass ich liebe. Und dann kann ich darauf antworten. Und da bin ich dann frei, wie ich mich entscheide. Das macht eben genau die Liebe aus, dass ich frei antworte.