Was verstehen wir eigentlich unter dem Sinn im Leben? Brauche ich dafür den Glauben?
Wir vom YOU! Team haben zu diesem Gespräch Lila eingeladen. Sie glaubt nicht an Gott und hat uns geholfen, mit einem Blick von außen über das Thema zu reflektieren.
Lila: Ich glaube, dass da jeder seinen eigenen Zugang hat. Ich würde mal behaupten, dass es mit einem Glauben vielleicht etwas leichter fällt, einen Sinn des Lebens für sich zu entdecken. Aber ich würde auch meinen, dass es ohne Glauben geht. Vielleicht etwas schwieriger, weil man länger braucht. Aber man kann natürlich auch ein glückliches Leben leben, ohne den Sinn für sich zu entdecken.
Michi: Wieso meinst du, dass es leichter ist, mit dem Glauben den Sinn zu finden?
Lila: Weil man diese Gemeinschaft hat. Ich würde mal behaupten, dass die Gemeinschaft einen darin bestärkt, dem Sinn des Lebens zu folgen, und dass man einen Vorsatz hat im Leben, was man erreichen will und wie und auf welche Sachen man eventuell verzichten würde.
Johannes: Für mich ist die Gemeinschaft auch ein Schlüsselpunkt. In der Kirche haben wir zum Beispiel diese 2000 Jahre alte Tradition und ich erlebe, dass man da aus einem ziemlichen Reichtum an Erfahrung schöpfen kann.
Michi: Wenn wir von Sinn sprechen, was stellen wir uns da eigentlich vor? Und gehen wir von vornherein davon aus, dass man einen Sinn braucht im Leben? Wie kann man den Sinn beschreiben?
Lila: Für mich hat man den Sinn des Lebens gefunden, wenn man ein Ziel vor Augen hat, nach dem man leben möchte oder das man am Ende des Lebens erreicht haben möchte. Der Sinn kann auch der Weg dahin sein. Ich glaube, dass jeder auf der Suche ist nach dem Sinn.
Tanja: Glückliches Leben leben ist oft die Definition von „Sinn des Lebens“. Manchmal ist es wichtig, sich wirklich einen konkreten Sinn des Lebens zu überlegen, weil man vielleicht oft in diese egoistische Seite von „glücklichem Leben“ rutscht. Wenn man keine langfristige Definition davon hat, sucht man irgendwie immer nur nach dem kurzfristigen Glück, was einen langfristig dann aber doch gar nicht so glücklich macht. Man muss sich bewusst machen, was einen langfristig glücklich machen kann, um dann am Ende seines Lebens sagen zu können: „Ich hatte wirklich ein gutes Leben.“
Michi: Was sind für uns Dinge, die wir als sinnvoll bezeichnen und welche Dinge sind sinnlos? Vielleicht können wir gemeinsam herausfinden, was das Sinnvolle ist und was es bedeutet, wenn man sagt: „Das hat einen Sinn.“
Debbie: Sinn hat vielleicht auch etwas mit der Funktion einer Sache zu tun. Wenn ich diesen Ohrring hier an den Laptop montiere, dann ist das sinnlos, weil das nicht der Zweck dieses Ohrrings ist. Das Sinnvolle wäre, ihn mir ins Ohr zu geben, denn dafür ist er gemacht. Das ist die Funktion, die er erfüllen muss. Wenn ich ihn richtig verwende, dann ist er sinnvoll, aber wenn ich ihn nicht richtig verwende, ist er nicht sinnvoll. Und so kann man die Frage vielleicht umlegen auf den Menschen: Wie lebt der Mensch richtig, damit es für ihn sinnvoll und erfüllend ist?
Tanja: Wenn man dem Ohrring sozusagen Gefühle zuschreibt, dann würde er glücklicher sein, wenn er an einem Ohr hängt, als wenn er an einem Laptop hängt, weil er sich mehr in seiner Rolle für das, als was er geschaffen ist, sieht. Und wenn wir Menschen verstehen, wofür wir gemacht sind oder was unser Zweck ist, dann finden wir auch zu unserem Glück. Deshalb ist die Sinnfrage vielleicht wichtig.
Michi: Diese Vorstellung von Sinn impliziert ja, dass irgendwer etwas gemacht hat, also jemand uns mit einem Zweck gemacht hat. Mich würde interessieren, wie du, Lila, das verstehst.
Lila: Sinn hat dann so eine tiefgründigere Bedeutung. Auch, warum wir als Menschen hier sind. Das verbindet sich natürlich mit der Frage, wer uns eventuell erschaffen haben könnte. Und wahrscheinlich weiß dieser Jemand dann auch, was der Sinn von unserem Dasein ist. Ich glaube aber, selbst wenn wir im Chaos leben würden und alles keinen Sinn hätte, dann würden wir trotzdem versuchen, einen Sinn zu finden, weil es uns dann wahrscheinlich leichter fällt, im Chaos zu leben. Macht das Sinn für alle…?
Debbie: Eine Form von Sinn macht es uns leichter, auf der Welt zu leben?
Lila: Ja, genau.
Johannes: Ich verstehe den Sinn eigentlich als Ziel. Wenn man kein Ziel vor Augen hat, ist es viel schwieriger voranzuschreiten. Man geht immer nur im Kreis und merkt, es bringt nichts. Wo will ich überhaupt hingehen? Wenn ich das aber weiß, kann ich alle meine Kräfte einsetzen, um dorthin zu kommen.
Michi: Es gibt ja diese Filme, wo immer solche Zeitschleifen sind und die Personen immer am selben Tag wieder aufwachen. Kennt ihr die? Die Aussage ist dabei: Das Leben wird total sinnlos, wenn immer wieder derselbe Tag von vorne anfängt. Nichts hat Konsequenzen. Man sieht diese Sinnlosigkeit, wenn unsere Taten keine Konsequenzen haben und alles egal ist.
Johannes: Das heißt, ohne Sinn auch keine Verantwortung. Wenn man kein Ziel hat auf einem Weg, dann ist es auch nicht tragisch, wenn man sich in einer Höhle verläuft oder einfach stehenbleibt. Wenn man kein Ziel hat, ist es echt wurscht, wo man steht und man hat auch keine Verantwortung.
Michi: Sind für euch Ziel und Sinn ein Synonym, ist das dasselbe oder ist es unterscheidbar?
Lila: Für mich kann ein Sinn sowohl die Richtung sein als auch Weg an sich oder das Ziel. Kommt darauf an, wie man es selber definieren möchte.
Debbie: Ich glaube auch, dass der Weg zum Ziel sinnvoll ist. Wir sind Menschen und haben vielleicht 80 Jahre auf dieser Welt und die sind nicht sinnlos, auch wenn das Ziel das In-den-Himmel-Kommen ist. Das ist für uns Christen das Ziel, aber gerade weil wir dieses Ziel haben, hat das Leben so eine große Bedeutung.
Michi: Wir wollen im Leben einen guten Job haben, dann hat es Sinn, dass ich eine Ausbildung mache. Oder wenn ein Sportler das Ziel hat, bei einem Wettkampf zu gewinnen, macht das Training einen Sinn. Somit ist nicht das Training das Ziel, aber es macht total Sinn für das Ziel. Also, wenn du kein Ziel hast, dann gibt es auch keinen Sinn, dann ist alles sinnlos. Der Sinn liegt, glaube ich, in dem Erkennen, wo ich hin will. Durch das Ziel wird etwas sinnvoll oder sinnlos.
Debbie: Ich hab grade was Kleines gecheckt und zwar: Wir haben Sinn, wenn das, was wir machen, uns irgendwie „transzendiert“, also zu etwas Höherem führt. Man lernt sinnvoll für eine Prüfung, weil man sie schaffen will. Auf unser Leben gesehen, hat für uns Christen unser Leben Sinn, weil das Leben nach Tod nicht stehen bleibt, nach dem Lernen, nach dem Leben, sondern weil es für uns diesen Himmel gibt. Daher noch eine Frage von mir an Lila: Macht es für dich Sinn, dass wir als Christen unserem Leben Sinn zuschreiben, weil es eben nicht endet nach dem Tod, sondern weil das Leben wie ein Lernen für die Prüfung ist?
Lila: Auf jeden Fall einleuchtend. Ich bezweifle auch gar nicht, dass ihr mit eurem Glauben viel mehr Antrieb und Motivation habt, das Leben zu leben, weil es für euch eine Art Vorbereitung ist auf den Himmel. Ich bewundere es an euch und ich beneide es auch ein bisschen, weil ich das Gefühl noch nicht gehabt habe, dass ich die direkte Nähe Gottes gespürt habe oder so. Natürlich ist es leichter, wenn man eine Betriebsanleitung hat, der man auch folgen kann. Die Frage ist dann aber auch, welche Religion dann die Betriebsanleitung hat?
Michi: Das wäre eine gute Frage für unsere nächste Diskussion. Was ist das Wahre in unserem Leben? Davon ist die Sinn-Frage ja auch irgendwie abhängig. Was steckt wirklich dahinter? Steckt überhaupt was dahinter? Wenn unser Glaube und unser Leben einen Sinn machen sollen, dann müssen wir wirklich versuchen zu reflektieren, kritisch hinterfragen und herausfinden, was wirklich dahintersteckt.