Frage:
Mein Partner kann nicht akzeptieren, wenn ich keine Kraft oder Lust auf Intimität habe. Es kratzt sofort an seinem Selbstwertgefühl, weil er grundsätzlich meint, es liege an ihm persönlich. Nein! Ich habe Stress, hormonelle Probleme, mit Ängsten zu tun… das frisst fast alle Energie. Bin ich komplett machtlos? Ich weiß ja, es ist sein eigenes Problem mit dem Selbstwert und ich fange auch an, zu beten, dass Gott ihm mehr das Gefühl gebe, angenommen zu sein. Nur wirkt sich sein Problem halt aktuell sehr negativ auf unser Zusammenleben aus. Und da wir uns nicht an Gottes Gebot gehalten haben, erst heiraten, dann zusammenziehen und Intimität leben, haben wir jetzt dieses Problem. Uns fehlt ein großes Stück von Gottes Segen für unsere Beziehung, die man durch das Ehesakrament geschenkt bekommt. Als wir zusammengekommen sind, war ich jedenfalls noch fern vom Glauben, deswegen ist es jetzt so, wie es ist und Gottes Gnade ist groß und ich vertraue darauf. Nur, was will Gott jetzt von mir? Vielleicht, dass ich auch, wenn ich nicht will, auf meinen Partner zugehe und ganz ins Du und ins Geben gehe? Könnte das auch sein? Mich überwinden für ihn? Wir leben ja immer noch nicht in Ehe, daher gibt es diese „Verpflichtung“, dem anderen zu dienen ja noch nicht in der Form, aber irgendwie fühl ich es trotzdem so, denn im Herzen bin ich halt auch schon mit ihm verheiratet mit allem, was dazugehört…
Antwort:
Danke für deine ehrliche Frage, die zeigt, wie schön Gott in deinem Leben wirkt. Halt ihm einfach weiterhin dein Leben hin, und höre in deinem Herzen, wo er dich weiter hinführen möchte. Ja, es bewirkt etwas, wenn wir für den Partner beten. In erster Linie darfst du das Gebet da aber auch für dich sehen, wo du an den Situationen, die in deinem Leben da sind, weiter wachsen und in der Intimität zu Gott immer tiefer gehen kannst.
Ich höre aus deiner Frage heraus, dass du eigentlich gerne schon heiraten würdest und du auch Gottes Segen für eure Beziehung durch das Ehesakrament hättest. Hast du mit deinem Partner schon mal darüber gesprochen? Was hindert euch daran? Die Ehe ist noch so viel mehr als nur „Gottes Segen“ – also wenn man das so als etwas „oben drauf“ von außen versteht. Die katholische Ehe und das Ehesakrament ändern – wenn man es ernst nimmt – die Beziehung von Grund auf und von innen, weil das Verständnis, was Ehe ist, eine ganze Unendlichkeit aufmacht. Deine Frage nach Intimität ist dann in einen ganz anderen Rahmen eingebettet und die Schwierigkeiten, die es da immer wieder gibt, werden zu einem gemeinsamen Weg.
Natürlich gibt es auch in der Ehe verschiedene Zeiten, wo man aus den unterschiedlichsten Gründen mehr oder weniger Lust hat. Es gibt aber einen grundlegenden Unterschied vor und nach der Hochzeit, der Sex zu etwas ganz anderem macht. Bei der Hochzeit versprechen sich beide Partner zusammen zu bleiben, bis zum Tod, komme, was wolle. Es ist eine Sicherheit, die vor diesem Versprechen einfach nicht dieselbe ist.
Wie soll ich mich in der Intimität echt fallen lassen können, so wie ich bin, wenn ich im Hinterkopf nicht dieses Versprechen des Partners habe? Was, wenn ein Kind kommt? Wird er da sein? Soweit ich das verstehe, ist es für Männer manchmal schwerer, Sex in Zusammenhang mit dem Gedanken an Kinder zu sehen. Für Frauen ist das meist viel präsenter, wenn vielleicht auch unterbewusst. Aber für eine Frau ist die natürliche Konsequenz eine zutiefst andere, die einen viel mehr beeinflusst: Du wirst im Fall einer Schwangerschaft 9 Monate geben, um das Kind in dir zu tragen, und du wirst vor allem die ersten Jahre die erste Bezugsperson sein.
Darum ist ein wichtiges Element bei der katholischen Hochzeit, dass man gefragt wird: „Seid ihr bereit, die Kinder anzunehmen, die Gott euch schenkt?“ – Und beide, die Frau und auch der Mann, sagen dieses Ja, zu 100% da zu sein. Der Mann braucht dieses bewusste Ja, was für die Frau vielleicht viel selbstverständlicher ist.
Das Verständnis der heutigen Welt ist aber oft, dass man Sex und Kinder trennen kann. Wenn wir aber genau in uns schauen und auf unseren Leib, dann spüren und sehen wir, dass das irgendwie zusammengehört. Wir sind heute oft so bemüht, das durch Verhütungsmittel zu trennen, und übersehen dabei, dass wir uns von der echten Liebe abschneiden, die ein wesentliches Merkmal hat, dass sie fruchtbar ist.
Das heißt nicht, dass wir als Katholiken nur Sex haben, wenn wir ein Kind zeugen wollen, aber dass wir unsere gemeinsame Fruchtbarkeit als Mann und Frau respektieren, unseren Leib respektieren und damit uns gegenseitig als Person. Dazu allein würde es sehr viel zu sagen geben, aber es würde ein bisschen den Rahmen dieser Frage sprengen.
Ich möchte dich ermutigen, dem, was du spürst, nachzugehen. Ich höre aus deiner Frage heraus, dass du dich deinem Partner wirklich ganz schenken möchtest, nicht nur aus Gefühl, sondern weil du dich entschieden hast, ihn zu lieben. Das ist ein wichtiger Teil in einer Liebesbeziehung. Ich würde aber sagen, dass auch du eine solche Liebe verdienst, wo der andere sich für dich entscheidet. Trau deinem Partner zu, dass er zu dieser Liebe fähig ist, weil Gott auch ihn dazu ruft.
Mein Vorschlag an dich wäre, den Glauben auch in diesem Punkt ernst zu nehmen, und in eurer Beziehung diesen Schritt wieder zurück zu machen, und euch dazu zu entscheiden, mit Sex bis zur Ehe zu warten. Nicht, weil es eine besondere „Regel“ ist, sondern weil du mit Sex mit deinem Leib genau dieses Versprechen gibst: Ich entscheide mich für dich – für immer! Etwas pointiert gesagt, du kannst „echten Sex“ nur in der Ehe haben. Außerhalb schaut es nach außen hin vielleicht ähnlich aus, aber für unser Innenleben hat es eine komplett andere Bedeutung.
Ich möchte noch kurz auf deinen Gedanken zur „Verpflichtung“ eingehen. Wie schon gesagt, es ist ein wunderschöner Gedanke, sich für den Partner auch überwinden zu können. Liebe ist immer dieser Weg, von sich herauszugehen und das Gute für den anderen zu suchen. Aber was ist in diesem Fall das Gute? Auch für ihn? Vielleicht hast du das etwas altertümliche Wort von den „ehelichen Pflichten“ im Kopf, womit man früher das sexuelle Zusammenkommen umschrieben hat. Ich glaube, dass dieses Wort heute sehr stark in die Irre führen kann. Es gibt keine „Pflicht“ für einen Partner, sich für den anderen für Sex zur Verfügung zu stellen – auch nicht in der Ehe. Das wäre nicht irgendeine „Pflicht“ sondern vielmehr Missbrauch.
Wenn man schon dieses Wort verwendet oder verwendet hat, dann in dem Sinn, dass man sich als Paar beim Eheversprechen gemeinsam „verpflichtet“ hat, die Liebe als ganze Person, also auch mit dem Leib, auszudrücken und damit offen für Kinder zu sein. Aber als gemeinsame Pflicht, die man gemeinsam bespricht und je nach Umständen entscheidet. Und sicher ist es gut, nicht immer nur um sich selbst zu kreisen. Aber niemals darf oder kann man kann man jemanden zum körperlichen Zusammenkommen „verpflichten“. Damit würde man den anderen sozusagen benutzen.
Der hl. Papst Johannes Paul II spricht davon, dass das Gegenteil von Liebe das Benutzen ist. Wir dürfen niemals wie eine Sache benutzt werden und es tut uns selbst niemals gut, wenn wir einen anderen Menschen wie eine Sache benutzen. Ich kenne eure Situation oder deinen Partner nicht genau. Aber um Selbstwert als Mann zu erlangen, tut es gut, die Erfahrung zu machen, dass ich zu Sex auch nein sagen kann, weil ich meine Freundin nicht wie eine Sache für meine eigene Begierde benutzen möchte. Das kann in der Situation durchaus schwer sein und am Ego (aber vielleicht mehr im Sinn von Egoismus) kratzen, aber längerfristig hebt es eure Beziehung auf eine andere Ebene.
Wenn du deinem Partner wirklich vorschlagen möchtest, mit Sex bis zur Ehe zu warten, dann sei dir bewusst, dass das nicht deshalb ist, weil du ihn nicht liebst, sondern weil es im Gegenteil der Wahrheit eures „Beziehungsstatus“ viel mehr entspricht. Auch wenn ihr das jetzt schon anders gelebt habt – was hindert euch daran, es jetzt neu zu versuchen? Es kann für euch eine Gelegenheit sein, euch in die Themen Ehe und Sexualität zu vertiefen und gemeinsam darüber ins Gespräch kommen, wie und ob ihr euch eine gemeinsame Zukunft vorstellt. Sehr empfehlen kann ich euch dabei die Arbeit von Christopher West über die „Theologie des Leibes“, z.B. auf seinem Youtube Kanal.
Vielleicht wollt ihr hier Sachen gemeinsam anhören und darüber sprechen. Es ist so eine große Bereicherung für das eigene Leben, wenn wir verstehen, wie Gott sich das Ganze mit unserem Leben, Beziehung und unserem Mann- und Frau-Sein gedacht hat.
Alles Gute dir und euch beiden!
AUTOR DES TEXTES:
Michi Cech
seit 1998 Chefredakteur von YOU! Magazin, seit 2017 verheiratet und Vater zweier Kinder.