Du kennst sicher die Bibelstelle, wo es heißt: „Ihr Frauen ordnet euch euren Männern unter!“ Immer wenn diese Stelle in der Kirche verlesen wird, sind einige Leute ganz schockiert. Sie denken sich: „Das ist ja wie im vorigen Jahrhundert!“
Aber hast du gewusst, dass Papst Johannes Paul II gerade diese Bibelstelle als die „Schlüsselstelle“ zum Verständnis der „Theologie des Leibes“ bezeichnet hat? Also, entweder war er ein ziemlich großer Macho oder es gibt da wirklich etwas, was man nur sieht, wenn man genau hinschaut. Tatsächlich steckt in dieser Bibelstelle aus dem Epheserbrief (Eph 5,21-33) eine tiefe Wahrheit dahinter, die uns die ewig komplizierte Mann-Frau-Geschichte ein bisschen mehr verstehen lässt. Wir wollen das in den folgenden Punkten untersuchen.
#1
Füreinander statt gegeneinander
Wenn heute viel von Gleichberechtigung gesprochen wird, dann ist das auf der einen Seite sehr notwendig, weil es noch in vielen Teilen der Welt und auch bei uns viel Ungerechtigkeit gibt. Auf der anderen Seite entsteht manchmal der Eindruck, dass wir Männer und Frauen uns oft immer nur als Feinde sehen, die gegeneinander um ihre Rechte kämpfen müssen. Wie wir in den vergangenen Teilen dieser Serie gesehen haben, ist das aber eine Folge der Erbsünde, das heißt, weil wir uns von Gott getrennt haben. Das lesen wir sogar sehr deutlich in der Bibel. Nach dem Sündenfall sagt Gott zur Frau: „Du hast Verlangen nach deinem Mann. Er aber wird über dich herrschen! (Gen 3,16)“. Der Mann hat die Neigung, Frauen zu dominieren. Und wie leicht steigert man sich als Frau oft in ein Verlangen nach Liebe hinein, wo aber keine echte Liebe ist. Eigentlich „Fifty Shades of Grey“, oder? Das ist die Folge, wenn man die Ausrichtung auf Gott verliert. Gott will uns jedoch klarmachen, dass Männer und Frauen füreinander da sein sollen. Gerade deshalb sind sie unterschiedlich erschaffen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Sehnsüchten. Sie sind unterschiedlich, weil sie sich ergänzen sollen. Füreinander. Nicht gegeneinander. Das bedeutet, dass wir, wenn wir die Bibel lesen und Gott verstehen wollen, die Brille des „Füreinander“ aufsetzen müssen. Dann erst machen solche Bibelstellen Sinn. Der Papst sagt, wie man diese Stelle verstehen muss: „Die Liebe schließt jede Art von Unterwerfung aus.“ Die Liebe ist ein Füreinander.
#2
Gemeinsame Ehrfurcht vor Christus
Die Bibelstelle, die Johannes Paul hier untersucht, beginnt nämlich eigentlich mit den Worten: „Einer ordne sich dem anderen unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus.“ Vielleicht schlag kurz die Bibel auf und lies die gesamte Stelle einmal nach: Epheser 5,21-33. Bevor es also um die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau geht, wird klargestellt, dass die Ehe zuerst ein gemeinsames Miteinander sein soll. Einer ordne sich dem anderen unter, bedeutet ja nichts anderes: Ich möchte zuerst hören, was DU denkst und was DU möchtest. Das nennt sich bekanntlich Liebe. Zuerst auf den anderen schauen. Wenn der Grund des ganzen Gegeneinanders war, dass wir unsere Ausrichtung auf Gott verloren haben, so ist die Lösung des Problems, dass wir uns gemeinsam wieder auf Gott auszurichten versuchen. Das meint die „gemeinsame Ehrfurcht vor Christus“. Es geht nicht darum, wer mehr zu sagen hat und wer zu kurz kommt, es soll um die gemeinsame Ausrichtung auf Gott gehen. Und in diesem Sinn bringt jeder mit seiner Männlichkeit oder Weiblichkeit das in die Beziehung ein, was ihm am meisten entspricht.
#3
Lieben wie Christus
Nachdem geklärt ist, dass es um ein gemeinsames Füreinander geht, spricht die Bibelstelle von den unterschiedlichen Aspekten von Mann und Frau. Heute meinen einige Leute, dass es eigentlich keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gäbe, alles wäre nur „anerzogen“. Aber auch wenn das in den Medien groß vertreten wird, so sagen die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse bereits das Gegenteil. Zum Beispiel fand man heraus, dass manche Medikamente speziell für Frauen und Männer angepasst werden müssen, da sie anders aufgenommen werden. Männer und Frauen sind anders. Und das möchte auch die Bibelstelle betonen, nicht um eine Ungerechtigkeit zu unterstützen, sondern um zu helfen, jene Aufgaben für sich zu finden, die einem im Innersten entsprechen. Und die Kirche hat verstanden, dass das, was uns „im Innersten entspricht“, mit dem zu tun hat, wie Gott uns geschaffen hat. Und es ist das, was uns letztlich glücklich macht. So gibt die Bibelstelle zwei Tipps, erstens: „Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn (Christus).“ Und zweitens: „Ihr Männer, liebt eure Frauen wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ Der Papst ist sich hier klar, dass die Bibel in einer Zeit geschrieben wurde, wo Frauen tatsächlich weniger Rechte hatten. Aber genau deshalb geht es der Bibel nicht um eine Unterordnung im Sinn einer Ungerechtigkeit, sondern um ein Unterordnen „so wie bei Christus“. Dem Sinn nach heißt das eigentlich: „Wenn ihr schon von Unterordnung sprecht, dann müsst ihr das so sehen, wie euer Verhältnis zu Christus, und das bedeutet vor allem, sich lieben zu lassen. Das heißt, ihr Frauen lasst es zu, dass die Männer euch lieben!“ Und jetzt kann man sich fragen, wer von beiden es schwerer hat. Denn wie hat Christus die Kirche geliebt? Er ist am Kreuz für sie gestorben.
#4
Bei Gott gibt es kein Herrschen
Wir tun uns heute sehr schwer, diese Art von „Unterordnung“ zu verstehen, denn wir kennen nur, dass einer den anderen beherrschen möchte. Aber Jesus macht an einer anderen Stelle klar: „Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Macht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein“ (Mt 20,25-26). Gott spricht hier dem Mann den besonderen Dienst zu, dass er Verantwortung in der Beziehung übernimmt, dass er sozusagen die Stütze ist, an der sich die Frau anlehnen kann. Gott geht es nicht darum, dass der Mann „das letzte Wort“ hat, vielmehr soll er den Rahmen schaffen, dass die Frau Halt und Sicherheit empfindet. Damit ist Gott vielleicht nicht „Mainstream“, aber ganz ehrlich, keine Frau wünscht sich einen Mann, dem sie dauernd eine Stütze sein muss, der nicht weiß, was er will, und an dem sie sich nicht anhalten kann. Schau dir eine Blume in einer Vase an. Eigentlich sollte der Mann für die Frau wie diese Vase sein. Eine Frau kann aufblühen, wenn sie sich geborgen weiß. Somit ist der Tipp dieser Bibelstelle an den Mann: „Sei deiner Frau eine Stütze. Gib ihr die nötige Sicherheit, damit sie aufblühen kann.“ Und an die Frau: „Lass deinen Mann deine Stütze sein!“ Tatsächlich versteht der Papst die Bibelstelle so: „Der Mann ist vor allem der, der liebt, und die Frau die, die geliebt wird.“ Und er sagt: „Die Liebe verpflichtet den Bräutigam, um das Wohl der Braut besorgt zu sein, sie verpflichtet ihn, ihre Schönheit zu wünschen, sie zu empfinden und Sorge für sie zu tragen. Es geht hier auch um die sichtbare, die physische Schönheit. Der Bräutigam erforscht aufmerksam seine Braut, um in schöpferischer, liebevoller Unruhe alles zu finden, was an ihr gut und schön ist und was er ihr wünscht.“
#5
Die Schlüsselstelle
Warum ist nun diese Stelle aus dem Epheserbrief eine Schlüsselstelle für die Theologie des Leibes? Am Ende finden wir den Satz: „Dies ist ein tiefes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche.“ Für Gott ist die Beziehung zu seiner Kirche, zu uns Menschen, wie eine Liebesbeziehung von Mann und Frau in der Ehe. Gott sieht die Ehe, die Liebe und Sex einfach in einer ganz anderen Dimension. Und er lädt uns ein, auch diesen Blick zu bekommen.