Ein Gespräch: Kirche und Sexualität

Wie ist das mit der Sexualität? Offensichtlich ist das in unserem christlichen Glauben eine wichtige Frage, denn in sehr vielen Fragen der Kirche geht’s um dieses Thema. Wir wollten das daher in unserer Diskussion im YOU! Team einmal offen und ehrlich aufgreifen und darüber sprechen.

Oni: Ich würd am Anfang die Frage stellen, ob die Lehre der Kirche wirklich lebbar ist? Denn wenn es wahr ist, dann muss es auch lebbar sein.

Johannes: Ich kenne schon viele Beispiele, dass es lebbar ist. Aber es heißt nicht, dass es der einfachste Weg ist. Oft ist ja das, was am einfachsten aussieht, nicht gleich richtig. Für viele aber schaut es heute so aus, als ob die Lehre der Kirche zur Sexualität nicht lebbar wäre.

Tanja: Das habe ich mir auch letztens gedacht. Unsere Welt ist so sexualisiert und da ist es schon total schwer, das zu leben, wenn man sich nicht bewusst darauf vorbereitet. Also, mit welcher Herzenshaltung geh ich da ran?

Sebastian: Ich hab jetzt eher eine grundsätzliche Frage. Dass die Kirche eine Meinung zur Sexualität hat, ist ja ein Ding. Aber warum hat die Kirche überhaupt eine Meinung dazu? Woher kommt das? Die Kirche sagt jetzt zum Beispiel auch nicht viel, wie man sich ernähren soll. Aber zur Frage: „Wie lebe ich mein Sexualleben?“ hat sie eine sehr starke Meinung. Offensichtlich gibt es da etwas, was die Kirche dazu drängt.

Michi: Ich finde das eine super Frage. Es ist gut, wenn wir uns das einmal ein bisschen aus der Distanz anschauen. Warum sagt die Kirche überhaupt etwas zu Sex?

Oni: Das Erste, was mir dazu einfällt, ist: Gott hat uns ja die Sexualität gegeben, weil er uns geschaffen hat, und auch dieses Sehnen nach Liebe, das jeder Mensch in sich hat. Gott hat uns so gemacht. Ich würde es mir so erklären: Die Kirche will uns ja den Weg zu Gott zeigen und uns helfen, die wahre Liebe zu leben und an unser Ziel zu kommen.

Tanja: Wenn Gott sich etwas dabei gedacht hat und das echt so der größte Schrei nach Liebe ist, hat das ja auch eine irrsinnige Kraft. Da gibt es so einen Vergleich mit Feuer. Es ist total mächtig, kann aber auch total zerstörerisch sein. Feuer ist ja was voll Schönes. Ein Lagerfeuer ist so wunderschön, wenn man es in einer gewissen Grenze hält. Du kannst es auf diese Weise genießen und dich daran wärmen. Aber wenn du das nicht machst, dann ist es nicht mehr schön, sondern gefährlich.

Sebastian: Wenn Sexualität aber nun ein starkes Bedürfnis ist, wie jetzt etwa essen, dann ist die Frage, warum man hier Beschränkungen macht. Die Kirche schreibt ja auch nicht vor, zum Beispiel: Esst alle mit Gabel und Messer! Oder: Achtet darauf, dass ihr nur an einem Tisch esst!

Michi: Die Frage ist hier, ob die Sexualität eine Bedeutung hat. Und wenn ja, welche? Hat sich Gott etwas dabei gedacht? Inwieweit ist Sexualität ein Grundbedürfnis wie essen? Wenn ich nicht esse, sterbe ich. Ist das dasselbe mit Sexualität? Sex muss eine tiefere Bedeutung haben, die man auch falsch leben kann. Sonst hätten Regeln ja keinen Sinn.

Tanja: Bei der Sexualität geht es um Liebe und um Fruchtbarkeit. Bei der Ernährung hat das im Ersten nur Auswirkungen auf mich selber. Bei der Sexualität hab ich eine Verantwortung dem anderen gegenüber, aber eben eventuell auch für einen Dritten, der dadurch auch entstehen kann. Wenn ich ein Kind in die Welt setze, hat das viel größere Auswirkungen als nur auf mich selbst.

Michi: Das stimmt. Uns alle würde es nicht geben, wenn es nicht die Vereinigung unserer Eltern gegeben hätte. Und wenn du es jetzt kosmisch anschaust: Wenn unsere Vorfahren irgendwo Nein gesagt hätten, oder abgetrieben oder verhütet hätten, wären niemand von uns jetzt da.

Sebastian: Das wäre auch meine Theorie gewesen, warum der Sexualität so ein Stellenwert zugeordnet wird, weil dadurch neues Leben entsteht. Trotzdem stellt sich noch die Frage, wie die Kirche dann auf die Regeln kommt, die sie aufgestellt hat.

Oni: Ich verstehe es jetzt gar nicht so, als hätte die Kirche nur Regeln, an die man sich halten muss. Es geht für mich einfach darum, das mit dem Körper auszudrücken, was die innere Herzenshaltung ist. Wenn es zum Beispiel heißt, „Kein Sex vor der Ehe“, dann soll es einfach verkörpern, was die innere Herzenshaltung ist. Wenn man mit jemand nach einer Party ins Bett hüpft, dann kennt man den nicht, liebt den nicht usw. Für mich geht’s eher um Wahrheit und Ehrlichkeit, wie man das lebt.

Michi: Genau, was ist die Realität in dem Ganzen? Das heißt, wir müssen uns als Menschen die Frage stellen, was wir damit ausdrücken, wenn ich mit einer Person schlafe. Unser Körper drückt ja etwas aus. Wenn ich jemandem die Hand gebe oder ihn umarme, hat das eine bestimmte Bedeutung. Sex ist ja noch viel mehr als nur eine Umarmung. Und wir können danach fragen, wofür etwas da ist. Wofür ist zum Beispiel unsere Fähigkeit zu essen da?

Johannes: Nahrungsaufnahme und es sollte nach etwas schmecken.

Michi: Genau. Es muss zwar nicht immer beides mein direktes Ziel sein, aber wenn ich nur esse, weil es mir schmeckt, und die Nahrungsaufnahme künstlich verhindere, indem ich zum Beispiel später alles wieder auskotze, dann tut mir das nicht gut. Leider gibt es viele, die mit solchen Essstörungen zu kämpfen haben. Genauso können wir bei unserer Sexualität sagen, dass es uns nicht gut tut, wenn wir die Fruchtbarkeit künstlich verhindern.

Sebastian: Das ist die Frage, ob man etwas auf einen Aspekt reduzieren kann. So wie wir die Erfahrung gemacht haben mit Zoomen. Im Endeffekt kommt man dann drauf, dass es nicht an die Realität herankommt.

Tanja: Stimmt. Videocallen ist ganz nett, es kommt aber nicht an die reale Interaktion heran. Ich finde es sehr wichtig zu betonen, dass die Kirche kein Spielverderber ist, sie will uns nur zeigen, was die Vollversion ist.

Michi: Und wenn du angenommen nur über Zoom mit anderen Menschen reden würdest, würdest du gar nicht verstehen, was der Unterschied zu der realen Begegnung ist. So kannst du Sex vor der Ehe und in der Ehe gar nicht vergleichen, weil es eben ein ganz anderer Zustand ist. Der Unterschied ist, dass du verheiratet bist und dich entschieden hast für den anderen. Diese Treue, dass du dem anderen versprochen hast, bei ihm zu bleiben, gibt Sex eine absolut andere Bedeutung. Die sexuelle Vereinigung vor und nach der Heirat ist ein totaler Unterschied, weil du in einem ganz anderen Zustand bist. Der andere weiß: Du hast dich mir versprochen. Und eigentlich ist Sex genau der Ausdruck für dieses Versprechen. Wenn nämlich Same und Eizelle sich verbinden, entsteht daraus etwas Permanentes. Darum hat Sex etwas mit Treue zu tun. Was man mit dem Leib letztlich sagt, wenn man miteinander schläft, ist, dass man dem anderen treu sein will, dass man die Möglichkeit der Fruchtbarkeit respektiert, dass man sich dem anderen schenken will und dass man sich liebt. Das ist eben nicht nur ein Konzept, eine Regel, sondern die Frage nach der Realität. Drückt Sex wirklich das aus oder nicht?

Johannes: Was ich mich da jetzt frage, ist, warum müssen wir dann so lange herumreden, Bücher schreiben, diskutieren? Bzw. warum ist diese Wirklichkeit dann so schwer zu verstehen?

Michi: Du meinst, warum ist es so kompliziert, wenn es eigentlich so logisch ist?

Johannes: Ja, warum ist es nicht etwas, was die Menschen intuitiv machen würden?

Sebastian: Ich denk immer wieder über kurzfristige und langfristige Zufriedenheit nach. Es zahlt sich oft mehr aus, in etwas Langfristiges zu investieren. Wenn man es wieder mit dem Essen vergleicht: dass ich nicht ständig Süßigkeiten reinballere, sondern etwas esse, was mich lange satt macht und womit ich mir meinen Körper nicht zerstöre.

Tanja: Was man oft über Gott sagt, ist, dass ihm der freie Wille ganz wichtig ist. Wir haben immer einen freien Willen, Ja oder Nein zu sagen oder uns für etwas Gutes zu entscheiden. Das macht alles nochmal wertvoller.

Michi: Es ist interessant, dass Jesus da einmal auf so eine Frage gesagt hat, dass wir an den Anfang schauen müssen, so wie Gott uns geschaffen hat. Er meint damit die Geschichte von Adam und Eva, die beide nackt waren, sich aber nicht voreinander geschämt haben. Erst nach dem Sündenfall, nach der Trennung von Gott, haben sie begonnen sich zu schämen. Wir leben jetzt in einer gebrochenen Welt und das ist der Grund, warum wir das nicht mehr so intuitiv richtig sehen. Darum ist alles so kompliziert. Was war aber das erste Gebot Gottes an den Menschen? Seid fruchtbar! Das war der erste Satz, den Gott zu den Menschen gesagt hat. Weil wir Menschen ein Abbild Gottes sind, als Mann und Frau oder besser noch als Familie. Gott ist dreifaltig, Gott ist fruchtbare Liebe. Unser Glaube, kurz zusammengefasst, ist, dass Gott uns heiraten möchte. Und die Liebe zwischen Mann und Frau macht das sichtbar, bzw. sollte das sichtbar machen. Somit geht’s bei Sex einfach um unser ganzes Leben, wer Gott ist und wer wir als Menschen sind.

Quelle: YOU!Magazin, Sept./Okt. 2022, S. 20-21 | Text: YOU!Team
2023-03-18T21:00:29+01:00
Nach oben