Als Jugendlicher habe ich mir immer die Frage gestellt, warum die Menschen, die nicht gläubig sind, oft glücklicher scheinen als Leute in der Kirche. Das war für mich ein ziemliches Hindernis im Glauben, wo ich mir gedacht habe, ich muss mich entscheiden zwischen Glauben und Leben. Ich wollte ja das Leben voll leben. Wer nicht? Dieser Widerspruch ist dann erst in sich zusammengefallen, als ich Jugendliche gesehen habe, die ein lustiges Studentenleben hatten und gleichzeitig einen tiefen Glauben hatten und in die Messe gingen. Für mich war das so wichtig: Ich kann gläubig und gleichzeitig sehr normal sein.
Der hl. Thomas von Aquin sagt: „Die Gnade zerstört nicht die Natur, sondern erhebt sie.“ Wenn man wirklich in der Gnade lebt und im Glauben, dann wird man natürlicher. Man wird mehr man selbst. Als ich ins Priesterseminar eingetreten bin, hat jemand zu mir gesagt: „Ich hab den Eindruck, du bist immer noch der Gleiche oder sogar mehr der Gleiche wie vorher.“ Das war das schönste Kompliment.
Vielleicht ist es gut, da immer auch zu reflektieren, ob wir in unserem Glauben skurril oder irgendwie schrullig werden. Dann ist das nämlich kein gutes Zeichen. Ich glaube, wenn man wirklich in der Gnade lebt und sich der Gnade ausliefert, macht uns das zu schöneren und attraktiveren Menschen. Natürlich geht es nicht darum, über andere zu urteilen. Es gibt Leute, die es wirklich sehr schwer im Leben haben, und da ist der Glaube ein echter Anker, an dem sie sich festhalten. Bei Jesus sind alle willkommen! Auch wir mit unseren Eigenheiten. Das heißt aber nicht, dass man nicht über sich reflektieren und an sich arbeiten kann.
Ich glaube, manchmal täuschen sich die Leute in der Art ihrer Frömmigkeit, also ein Schüler oder Familienvater kann nicht nur in der Kirche beim Beten verbringen, wie ein Mönch. Man muss unterscheiden zwischen Christusnachfolge und meiner Vorstellung von einem guten Christen. „Ihr sollt euer Leben leben und eure Persönlichkeit sein“, sagt der heilige Franz von Sales. Heilige Menschen sind Unikate, weil die Gnade sie zu dem gemacht hat, wer sie selbst sind.
Von daher glaube ich, dass uns im Letzten wirklich nur Gott glücklich macht. Und trotzdem wird man erleben, dass manchmal andere glücklicher scheinen. Das wird man als Gläubiger erleben. Aber letztlich ist die größere Freude mit Gott, weil es eine innere Freude ist. Als Priester habe ich das Privileg, den Leuten ein bisschen hinter den Vorhang der schönen Fassade zu schauen. Und da merkt man schon, dass auch bei menschlich attraktiven und scheinbar sehr glücklichen Leuten oft sehr viel Leiden dahinter ist.
Wichtig ist, dass wir diese innere Freude nicht aus uns selbst heraus machen können. Diese innere Freude, die so anziehend ist, dieses menschlich Befreite, Fröhliche, was Christen ausmachen muss, das kommt nur, wenn man innerlich und in seinem konkreten Leben diese Entscheidung der Christusnachfolge getroffen hat. Es geht nicht darum, zu sagen, du musst jetzt fröhlich sein. Keine Nabelschau machen! Sondern auf anderen schauen. Wir machen immer Wochenenden mit Jugendlichen unserer Pfarre, und das schönste Wochenende, das wir hatten, war, als wir Crêpes gemacht und zu älteren einsamen Menschen gebracht haben. Das war die Erfahrung der Freude, wenn man gibt.
Ich war immer schon ein eher fröhlicher Mensch. Aber ich war auch jemand, der Angst vor der Zukunft hatte. Was wird aus mir? Die Erfahrung, dass Gott für mich sorgt, war irrsinnig befreiend. Mein Leben ist in Gottes Hand. Ich muss nicht alles erreichen. Ich muss nicht alles können. Ich muss nicht in den Augen aller geliebt werden. Mein Leben ist in seiner Hand. Als ich das verstanden habe, nicht mit meiner Intelligenz, sondern mit meinem Herzen, das hat mich so befreit und das gibt mir eine irrsinnige Freude, auch heute noch.