Frage:
Wie kann ich jemanden wirklich gut kennenlernen? Die meisten meiner Freundinnen „probieren einen Mann aus“, indem sie mit ihm schlafen. Ich denke aber, dass man einen Menschen im Bett nicht wirklich kennen lernen kann. Da gibt es noch so viel mehr, aber oft nimmt das Körperliche so schnell überhand, dass gar keine Zeit bleibt um zum eigentlichen Wesen des anderen vordringen zu können. Klar, ein wenig bekommt man im Schlafzimmer schon mit, aber bevor eine tiefe Freundschaft entstehen kann, hat sich der Mann meist dann schon für immer vertschüsst! Was kann man hier tun?
Antwort:
Ja, du hast recht – der beste Ort, „zum eigentlichen Wesen“ eines Menschen vorzudringen, ist nicht das Schlafzimmer. Klar offenbart sich auch dort der Charakter eines Menschen ein bisschen. Aber kennt dich dein Gegenüber wirklich? Ja, vielleicht weiß er deinen Namen? Weiß er, wie du tickst? Was deine Vorlieben sind? Was deine Lieblingsorte sind? Wovon du träumst?
Warum ist das so wichtig? Weil Sex nicht einfach ein körperlicher Ablauf ist, sondern ein „Austausch von Personen“ – mit ihren Eigenheiten, Träumen, Ticks…. Sex heißt: körperlich ganz Ja zu sagen zu einem Menschen, zur ganzen Person. Aber zu einer Person gehört auch sein Innenleben. Du kannst nicht Ja sagen zum Körper, und Nein zu seinem Innenleben. Auch wenn es dir egal ist, wie der andere tickt, sagst du Nein, denn ein Ja ist es auf keinen Fall. Darum kann Sex, der losgelöst ist von der ganzen Person, nicht glücklich machen und hinterlässt Wunden und bestenfalls eine Leere.
Wie kann man also einen Menschen, auch ohne intim zu werden, kennen lernen?
Hier gebe ich dir ein paar Tipps, die übrigens auch in Zeiten von Pandemien oder Distanz-Beziehungen hilfreich sein können:
- Redet viel miteinander: am Telefon, per Chat oder auch bei echten Treffen. Wenn man die Möglichkeit dazu hat, ist es empfehlenswert, sich irgendwo in einem Cafe oder Park (an einem öffentlichen Ort) zu treffen. Versucht herauszufinden, wie der andere über gewisse Themen denkt. Mach dir eine Liste von Dingen, die dir wichtig sind und wo du wissen möchtest, was der andere dazu meint.
- Lest gemeinsam ein Buch. Es gibt auch so etwas wie eine intellektuelle Intimität. Sucht euch ein Buch, das beiden gefällt, lest es, entweder jeder für sich oder gemeinsam bei einem Date, und sprecht darüber.
- Dann gibt es auch eine geistliche Intimität: Betet füreinander und miteinander. Macht euch eine Zeit aus, in der ihr beide zugleich betet – z.B. den Rosenkranz – oder seid zur gleichen Zeit bei der eucharistischen Anbetung.
- Schreibt euch Briefe – ganz auf die altmodische Art – per Post.
- Macht euch gegenseitig Geschenke. Um das tun zu können, muss man herausfinden, was dem anderen Freude bereitet.
- Lernt die Liebessprache des anderen kennen. Gary Chapman hat 5 Sprachen der Liebe definiert. Welche ist deine und welche die deines Freundes? Auf 5Lovelanguages kannst du einen Online-Test durchführen…
Indem man die eigene und die Liebessprache des Partners herausfindet, kann man nicht nur viele Missverständnisse verhindern, sondern die Beziehung auf ein neues Level bringen.
- Sprecht ehrlich über eure negativen Gefühlserfahrungen und früheren Verletzungen – vor allem: Was waren Schwierigkeiten in meiner Kindheit? Meiner Jugend? In meinem Elternhaus? Was macht mich traurig, was belastet mich? Gibt es Punkte, wo ich Scham empfinde oder Angst? Wenn man diese Themen nicht beizeiten bespricht, können sie eine Beziehung enorm belasten. Wenn ihr bei manchen Punkten nicht weiterkommt, ist es vielleicht ratsam, einen Dritten zu Hilfe zu holen (sei es ein guter Freund von euch beiden, sei es ein Priester oder Paar-Therapeut – Link zu Beratungsstellen).
- Wenn möglich, unternehmt gemeinsam Dinge, wo man den anderen und seine Eigenheiten außerhalb der Komfortzone kennen lernt: geht gemeinsam Wandern, macht gemeinsam Sport, etc. So findet man gut heraus, wie der andere tickt, wenn er herausgefordert wird.
Das sind nur einige Anregungen.
Falls ihr schon eine sexuelle Beziehung führt, möchte ich euch raten: Probiert es einmal einen Monat lang aus, auf körperliche Intimitäten zu verzichten und euch ganz auf das Innere und den Charakter eures Partners zu konzentrieren. Natürlich ist das Körperliche nicht unwichtig. Aber wir neigen dazu, der körperlichen Intimität zu viel Gewicht zu geben und das Innere ganz außer Acht zu lassen. Selbst wenn man nicht notgedrungen eine Distanzbeziehung führt, ist es wertvoll, einmal ein starkes Augenmerk auf das Innere zu werfen. Ihr werdet staunen…