In unserer neuen Diskussion im YOU! Team haben wir uns gefragt, wie das geht, glücklich zu werden. Bzw. ist glücklich sein das, worauf wir unser Leben ausrichten sollen? Was sagt uns da zum Beispiel auch der christliche Glaube? Als Gast für den „Blick von außen“ haben wir Helene eingeladen. Sie bezeichnet sich selbst nicht als christlich aktiv und wir haben uns sehr gefreut, mit ihr über diese Frage zu diskutieren.
Helene: Ich glaube, Menschen handeln ja grundsätzlich so, dass es ihnen selbst gut geht. Langfristig will jeder glücklich sein. Wenn ich mal alt bin, will ich zum Beispiel mit meinen drei Kindern und fünf Katzen in einem schönen Haus wohnen und einfach ein zufriedenes Leben führen.
Debbie: Was ich als Philosophiestudentin sagen kann, ist, dass sich die griechische Philosophie darauf geeinigt hat, dass das ganze Streben der Menschen die Glückseligkeit ist. Alles, was der Mensch macht, ordnet er im Endeffekt auf diese Glückseligkeit hin.
Helene: Ich glaube schon, dass Menschen Wesen sind, die Zufriedenheit anstreben. Wie du gesagt hast, Debbie, dass wir nur Sachen tun, von denen wir glauben, dass sie uns gut tun.
Tanja: Aber wie ist das, wenn ich meinem Papa beim Reifenwechseln helfe? Das mach ich auch, wenn ich selbst keinen Bock drauf habe, einfach weil ich ihn gern habe und ihm helfen will. Macht das Sinn?
Helene: Ich würde keiner Person beim Reifenwechseln helfen, die ich nicht mag. Wenn ich meinem Papa dabei helfe, gehe ich davon aus, dass ich ein gutes Verhältnis zu ihm habe und er sich darüber freut, dass ich ihm helfe.
Michi: Wie können wir die Challenge des Christentums verstehen, wo man auch denen Gutes tun soll, die man nicht mag? Also, die Feinde lieben. Das ist aber sicher nicht das, was wir normalerweise unter Glück verstehen.
Debbie: Liegt das Glück vielleicht nicht dort, wo alle vermuten, dass es liegt? In dieser Selbstverwirklichung, in diesem Um-sich-Kreisen, sich selbst bestimmen, sich selbst vorantreiben?
Lea: Ich war mal in Vietnam und da sind die Leute am Land ziemlich arm. Wir sind als Reisegruppe gekommen und sie haben mir zum Geburtstag ein Schwein geschlachtet und geschenkt. Und die waren so glücklich, dass ich das jetzt habe und essen darf. Das war genau das: Sie haben so wenig gehabt und waren aber so froh. Die Zufriedenheit war ganz anders. Dann bin ich wieder zurückgekommen in unsere westliche Welt und hab mir gedacht: Es ist so krass, dass das bei uns so nicht stattfindet. Zumindest viel weniger.
Helene: Das stimmt. Wenn ich einer Person etwas gebe, dann kommt ja Dankbarkeit zurück. Natürlich nicht immer, aber in den meisten Fällen merkt man schon, dass die Person sich freut.
Debbie: Ich würde auch unterscheiden zwischen der momentanen Stimmung und einem tieferen Glück im Leben. Man kann auch ein glücklicher Mensch sein, wenn man grade einen schlechten Tag hat. Für mich ist das jemand, der seinen Sinn kennt, ein Ziel hat im Leben.
Raphael: Ich finde diese Unterscheidung in das temporäre und das langfristige Glück sehr gut. Das langfristige Glück orientiert sich eher daran, ob ich einen Sinn im Leben habe, eine Vision, ein Ziel. Das Glück resultiert daraus oder ist eher ein Gradmesser dafür, wie sehr ich dieser Vision oder dem Sinn des Lebens eben nachgehe.
Debbie: Viele hinterfragen den Sinn ihres Lebens, weil sie merken, dass die äußeren Umstände eben nicht alles sind, was zählt. Es sind nicht die coolen Reisen, die ich mach, oder die tollen Partys und Festivals, auf denen ich bin. Die erfüllen mich nur temporär. Es ist wirklich diese Suche: Was ist mein Ziel? Wofür kämpfe ich? Wofür opfere ich was auf? Ich fand den Gedanken schon interessant, dass der Sinn fast höher ist. Und wenn man etwas Sinnvolles tut, dann weiß man auch, dass es einen auch irgendwie glücklich macht, auch wenn man es im Moment nicht so merkt.
Helene: Ich bin recht aktiv in der Klimagerechtigkeitsszene und da denk ich mir auch oft: Wofür geh ich da jetzt eigentlich auf die Straße? Seit über drei Jahren geh ich streiken und irgendwie verändert sich nichts. Aber es ist ja trotzdem etwas Erfüllendes, wenn ich weiß, dass ich mit vielen anderen Menschen gemeinsam für etwas kämpfe, was wichtig ist und uns am Herzen liegt.
Debbie: Es geht sozusagen weniger um deine Glücksgefühle, sondern du weißt, du setzt dich für was Größeres als dich selbst ein und das erfüllt dich dann.
Michi: Was sagt ihr zu dem Satz aus unserem Glauben, den Papst Johannes Paul II. oft zitiert hat: „Der Mensch kann sich nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden.“ Also Selbstfindung durch Selbsthingabe. Wenn wir die Kirche fragen, was unser Ziel ist, dann sagt sie: Was jeden Menschen wirklich glücklich macht, wo er sich selbst verwirklichen kann, ist die aufrichtige Selbsthingabe.
Oni: Ich finde dieses Zitat ziemlich cool. Das trifft ja auch, was vorher gesagt wurde, wo man sich einsetzt und nicht unbedingt ein Ergebnis sieht. Wir sind nicht nur da, um glücklich zu sein, sondern auch um glücklich zu machen. So kommen wir unserem eigentlichen Sinn immer näher, je mehr wir uns schenken.
Debbie: Das ist interessant, weil es nicht unbedingt das ist, was so die Mainstream-Definition von Glück ist. Und vielleicht auch ein bisschen unangenehmer Gedanke, wenn man’s zum ersten Mal hört.
Michi: Darum finde ich auch wichtig, dass es nicht darum geht, dass ich nur andere glücklich mache und selbst traurig bin, sondern ich geb mich hin, weil mich das zu meinem letztlichen Glück führt. In diesem Sinn ist Selbstverwirklichung und Glücklich-Werden schon unser Ziel.
Raphael: Ich finde aber auch den Gedanken gefährlich, wenn man nur deshalb Gutes tut, weil man im Endeffekt selber glücklich werden will. Darum glaube ich, dass man sich eher auf die Liebe fokussieren sollte. Also, ich versuche nicht, andere glücklich zu machen, und ich versuche nicht, mich selbst glücklich zu machen, sondern ich lebe einfach nach der Liebe, weil ich glaube, dass das die Wahrheit ist und weil ich einfach glaube, dass es richtig ist, so wie ich handle.
Helene: Ich verstehe schon den Gedanken, man soll nicht nur Sachen machen, weil man selbst einen Nutzen draus zieht. Aber es ist schwierig. Natürlich mache ich lieber etwas, wo ich weiß, dass ich etwas zurückkriege.
Raphael: Für mich ist dieser Fokuswechsel wichtig. Ich hab das Gefühl, es geht noch immer um die Frage: Ist Glück das Ziel meines Lebens? Wenn ich das so sehe, stellt sich natürlich die Frage: Wie komme ich zu dem Glück?
Michi: Bist du damit einverstanden, wenn wir sagen: Das Glück ist nicht das Ziel, sondern eine Frucht, wenn ich was Sinnvolles tu?
Raphael: Genau, ich mache etwas Sinnvolles und bekomme dadurch dieses andere Glück.
Michi: Das finde ich gut. Wenn wir uns also fragen: Ist Glück unser Ziel? Dann könnten wir sagen: Nicht so direkt. Denn wenn wir Glück vordergründig anstreben, funktioniert das nicht. Die Erfahrung von Glück ist so vielleicht mehr ein Ergebnis als ein Ziel, dass ich direkt anstreben kann. Sicher, wir wollen alle glücklich sein. Aber die Frage ist: Wie komme ich zu dem? Ich glaube, die Frage, „Was macht Sinn?“, hilft uns echt weiter. Was ist mein Sinn auf dieser Welt? Was ist mein Dasein eigentlich? Und manchmal sind echt andere Faktoren wichtig, als wir vorschnell meinen.