Homosexualität. Ein persönliches Gespräch.

Homosexualität ist ein Thema, das heute viel diskutiert wird. Die Haltung der Kirche wird von der Gesellschaft kritisiert, oft auch von Gläubigen. Wir im YOU! Team wollten uns selbst einmal mehr mit dem Thema persönlich auseinandersetzen und haben dazu Teresa eingeladen. Sie hat sich seit ihrer Kindheit als lesbisch gefühlt. Nach ihrer Bekehrung zu Gott hat sie jedoch einen neuen Weg eingeschlagen.

Teresa: Ich war nicht das typische Mädchen mit rosa und Puppen und hab mich in der Jungen-Rolle wohler gefühlt. Es ist ja nicht so, dass man Montag aufsteht und sagt, ab heute bin ich lesbisch, das ist ein langer Prozess. Aber irgendwann habe ich in meinem Inneren zu einem bestimmten Zeitpunkt diese Festlegung getroffen und eine lesbische Identität angenommen. Als Jugendlicher habe ich begonnen, die Homosexualität auszuleben bis zum Ende meiner 30er Jahre, wo ich einen Totalzusammenbruch erlebt habe. Ich hatte damals auch eine Geschlechtsumwandlung überlegt. In diesem Zusammenbruch haben plötzlich österreichische Jugendliche an meiner Türe angeläutet. Sie waren auf Mission in meiner Stadt in Deutschland und wollten mir von Jesus erzählen. Das war für mich der Anlass, auf mein Leben zu schauen und auf das, was Gott von mir will. Ich habe mich in Folge über zehn Jahre mit Gott und seiner Schöpfungsordnung auseinandergesetzt und heute darf ich mich frei von einer lesbischen Neigung sehen.

Michi: In der Kirche ist es ja gerade auch ein aktuelles Thema, da der Papst die Segnung homosexueller Paare untersagt hat. Für viele ist das ein Reizthema. Wie würdest du sagen, können wir als Kirche Menschen mit homosexueller Neigung am besten begegnen.

Teresa: Ich begleite heute viele Menschen, die auf einem Weg sind. Wir müssen Begleitung anbieten. Wir müssen die Menschen zu Gott bringen. Wir müssen sagen, ich versteh, dass du das nicht verstehst, und das ist auch ok. Aber schauen wir gemeinsam, was das bedeuten kann. Ich habe gelernt, dass ich wirklich frei bin, wenn ich nach Gottes Ordnung lebe. Das ist unser Schatz als Christen. Aber ich muss diesen Schatz annehmen. Oder eben nicht.

Julia: Ich wurde vor längerer Zeit einmal von Freunden eingeladen, die homosexuell bzw. pansexuell sind. Die Freundin hat mir an dem Abend gesagt, dass ihr Mitbewohner Angst hatte, dass ich komme. Er hat gedacht, oh mein Gott, da kommt die Katholikin. Die wird uns sagen wollen, wie schrecklich wir sind. Die Freundin hat mir dann gesagt: Julia, ich glaube an Gott, aber ich hab das Gefühl, ich bin nicht willkommen, so wie ich bin. Das hat mir echt das Herz gebrochen. Gott hat doch immer die Menschen da angenommen, wo sie gerade sind. Und alles andere ist doch nebensächlich.

Teresa: Ich verstehe deine Freunde so gut, weil es mir genauso ging. Darum müssen wir überlegen, was wir tun können, um die Gemeinschaft der Kirche widerzuspiegeln. Ich bin damals aber auch gar nicht in die Kirche hineingegangen und hab die Erfahrung eigentlich gar nicht selbst gemacht, dass ich in der Kirche nicht willkommen bin. Da ist die Frage, gibt es einen Bezug deiner Freunde zur Kirche? Warum fühlen sie sich ausgeschlossen? Ich würde sie wirklich gern kennenlernen und fragen, wie es ihnen damit geht.

Julia: Der Freund von mir hat mir, auch mit Tränen in den Augen, gesagt: „In der heutigen Gesellschaft ist es so viel einfacher, hetero zu sein. Glaub mir, wenn ich könnte, hätte ich mich mit 15 entschieden, hetero zu sein. Dann hätte ich mir den ganzen Hass nicht anhören müssen in der Vergangenheit.“ Gott steht einmal mit offenen Armen da. Das sollte doch unser erster Schritt sein.

Teresa: Da geb ich dir voll recht. Aber wir müssen auch eines berücksichtigen. Wenn ich in einer Sache verletzt bin, und ich geh zum Gottesdienst und bei der Predigt kommt ein kleiner Satz, aber das ist genau meine Verletzung, dann bewerte ich den viel mehr, als wenn ich da keine Verletzung habe. Ich verstehe das und diese Tränen hatte ich auch in den Augen. Jesus lehnt deine Freunde nicht ab. Im Gegenteil. Er steht ja da mit offenen Armen. Aber gleichzeitig hat Jesus auch gesagt: „Ich verurteile dich nicht, geh und sündige nicht weiter.“ Diesen wichtigen Nachsatz vergessen wir oft. Mit dieser Geschichte gibt Jesus übrigens allen Menschen eine Lektion. Den „Steinewerfern“ genauso – er hat ja gesagt: Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Jeder hat seine Sünden, egal in welcher Form. Und ich kann immer sagen: Jesus bitt hilf mir, ich komm damit nicht zurecht!

Debbie: Meine Frage ist, ist es unsere Aufgabe, unseren Freunden zu sagen, dass der Lebensstil nicht zu ihrem Heil führt, oder sollen wir es einfach gutheißen, so, ist eh alles egal? Es ist halt eine Gefahr, wenn wir aus Vorsicht bei unseren Freunden die Dinge nicht ansprechen, die in ihrem Leben einfach nicht stimmen. Die Liebe ist ja nicht nur ein Gefühl des Angenommen-Seins, die Liebe ist ja auch immer die Wahrheit.

Jonas: In der Liebe muss ich die Wahrheit sagen, sonst ist es keine Liebe mehr. Die Wahrheit kann auch herausfordernd sein. In allen Bereichen. Wir müssen das ansprechen, wenn wir echte Freundschaft haben. Wenn ich diese Beziehung nicht hab, dann sag ich auch meistens nichts. Ich nehme einen Freund an, wie er ist, aber nicht in allem, was er tut.

Teresa: Ich wäre froh gewesen, und das sag ich nach 25 Jahren schmerzhaften Lebens, wenn einer der Freunde gesagt hätte, Theresa, schau mal da hin. Der hätte mir viel Leid erspart.

Sonja: Ich glaub nur, dass diese Wahrheit von Katholiken oft so ausgesprochen wird, dass Homosexualität sozusagen „die“ Todsünde schlechthin ist. Und so kommt es zu keinem Gespräch auf Augenhöhe. So fühlt sich so jemand immer kritisiert und es fällt ihm schwer, einen Schritt auf die Kirche zuzumachen. Wir sollen bewusst machen, dass wir alle geliebt sind und lieben sollen.

Michi: Ich glaub, wir stimmen alle in dem Punkt überein, dass man in einer echten Freundschaft dem anderen auch die Wahrheit sagen muss. Der eigentliche Punkt ist hier, ob wir selbst davon überzeugt sind, dass es die Wahrheit ist. Also, glauben wir aus unserer christlichen Haltung heraus selber wirklich, dass jemand, der homosexuell empfindet, glücklicher wird, wenn er das nicht auslebt, als wenn er das auslebt? Das ist für uns Katholiken der springende Punkt. Wenn wir wirklich davon überzeugt sind, dass es dem anderen letztlich besser geht dadurch, dann würden wir gar kein Problem haben, ihm das zu sagen. Vielleicht haben wir da selbst noch zu wenig Info.

Jonas: Ich kenne einen mittlerweile 80-Jährigen, der ca. 40 Jahre homosexuell gelebt hat. Mit 50 hat er sich entschlossen, mit seinem Freund die Sexualität nicht mehr zu leben, aber dass sie zusammenbleiben. Sie haben die Freundschaft gelebt, bis sein Freund dann gestorben ist. Er hat gesagt, er fühlt sich immer noch homosexuell, aber er lebt das nicht aus, seit mittlerweile 30 Jahren. Und er hat ein Apostolat für Homosexuelle in Paris, wo er mit ihnen helfen möchte, Jesus wirklich zu begegnen.

Teresa: Ja, es geht im Grunde darum, sich von Jesus füllen zu lassen. Ich sag euch ehrlich, ich habe exzessiv mein Sexualleben ausgelebt. Das nicht mehr zu tun, war bei meiner Bekehrung das kleinste Problem. Warum? Weil die Gnade mir geholfen hat. Ich habe ganz andere Probleme gehabt. Ich war nicht mehr in der Community. Wir müssen Jesus auch zutrauen, dass er uns das gibt, was wir brauchen. Da war auch bei mir ein großes Misstrauen.

Tanja: Wir hatten letztens in der Religionsstunde über Homosexualität gesprochen. Es kam die Frage auf, wie das ist, wenn Gott alles in der Schöpfung gemacht hat und Homosexualität auch im Tierreich vorkommt. Ist das dann nicht etwas, was von Gott kommt?

Michi: Ich würde darauf sagen, dass du im Tierreich auch den Fall hast, dass das Weibchen das Männchen nach dem Sex auffrisst. Deswegen ist das für uns Menschen nicht normal. Oder im Tierreich hast du bis auf vielleicht ein paar Ausnahmen keine Partnertreue bis zum Tod.

Tanja: Aber kann man nicht sagen, dass es auch von Gott kommt, also trotzdem angeboren ist, wenn sie sozusagen so erschaffen sind?

Teresa: Es ist halt so, dass unsere Welt gebrochen ist durch den Sündenfall. Also, es ist nicht alles so, gerade von den Neigungen her, wie Gott die Welt geschaffen hat. Und das betrifft die ganze Schöpfung, auch das Tierreich.

Jonas: In der Diskussion ist mir wichtig zu sagen, dass eigentlich jeder Mensch ein Problem mit seiner Sexualität hat, wo etwas nicht in Ordnung ist. Es fällt uns schwer, die Sexualmoral der Kirche zu leben. Jedem Menschen fällt das schwer. Da hat jeder Mensch zu kämpfen. Und deshalb sitzen wir alle im gleichen Boot.

Julia: Aber gerade Homosexuelle werden für ihre schwierige Beziehung zur Sexualität angeprangert und gehasst.

Michi: Und darum stimmt es, dass es so wichtig ist, dass gerade wir als Kirche anders auf sie zugehen. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, alles einfach nur gutzuheißen. Wie müssen da einen Weg finden, wie wir das schaffen. Vielleicht ist es ein Ansatz, dass wir klarmachen: Hey, es geht nicht darum, dass du keine Erfüllung im Leben haben darfst. Im Gegenteil. Es geht genau darum, dass du die Erfüllung hast. Aber wir glauben, dass das eben in der Ordnung Gottes funktioniert. Lass uns mal davon ausgehen, dass die Kirche das Gute für uns will.

Teresa: Ich möchte am Ende noch eines sagen: Unsere Identität ist die Gotteskindschaft. Wir sind alle Kinder Gottes. Wenn wir das als Grundlage haben, dann wird der Heilige Geist kommen und uns helfen.

Michi: Danke, Teresa, für deine Zeit. Ich finde es ist total wichtig, dass wir lernen und reflektieren, wie wir über das Thema reden.

Link zu Teresa’s Story:

Frauen lieben – eine lesbische Suche nach Gott“/ Radio Maria Deutschschweiz

Quelle: YOU!Magazin, Mai/Juni 2021, S. 20-21
2023-03-18T20:58:26+01:00
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