Habe ich Chancen auf eine glückliche Beziehung trotz traumatischer Erfahrungen?

Frage:

Habe ich noch die Chance auf eine glückliche Beziehung mit erfüllter Sexualität, wenn ich in einer früheren Beziehung schlechte oder sogar traumatische Erfahrungen im Bereich der Sexualität gemacht habe? Darf ich dann überhaupt eine Beziehung beginnen und diese Last meinem zukünftigen Partner zumuten?

Antwort:

Es ist schmerzhaft, wenn man traumatische Erfahrungen in einer früheren Beziehungen gemacht hat. Vor allem, wenn diese im Bereich der Sexualität liegen. Leider gibt es auf die Frage, was dies für eine weitere Beziehung bedeutet, keine pauschale Antwort. Es können nur einige Hinweise gegeben werden:

  • Wer eine traumatische Erfahrung gemacht hat, der muss sich zunächst fragen, was diese Erfahrung bei mir ganz persönlich bewirkt hat? Häufig verändern traumatische Erfahrungen den Blick auf unseren eigenen Körper. Wir fühlen uns vielleicht von ihm entfremdet, was sich u.a. in einem schlechten Körpergefühl äußert oder in Essstörungen. Manchmal schlägt eine traumatische Erfahrung auch auf unser Gesamtbefinden durch. Etwa, dass wir hin und wieder einen emotionalen Druck, eine Angst, eine Depressivität in uns spüren, von der wir nicht recht wissen, woher sie kommt. Manchmal führen traumatische Erfahrungen zu einem massiven Zweifel am eigenen Wert. Wir fragen uns, wer wir für den anderen Menschen sind oder ob Menschen in uns jemand sehen, den man benutzen kann. Meine Empfehlung: Traumatisierte Menschen sollten darauf achten, ob sich aufgrund des Traumas der Selbstwert geändert hat oder ob man diffuse Beziehungsängste kennt, etwa in Form von Misstrauen gegenüber anderen.
  • Manche Menschen spüren manchmal keine der erstgenannten Folgen. Hier sollte man dann auch nicht graben. Es empfiehlt sich eher, vorsichtig Beziehungen zu wagen. Vorsichtig deshalb, weil manchmal erst in der Annäherung an einen neuen möglichen Beziehungspartner oder -partnerin Traumafolgen auftauchen. Das können dann ganz bestimmte Phänome sein. Z.B. man spürt, dass man den anderen, je näher er kommt, auf Distanz halten will. Oder man unterstellt den anderen schlechte Absichten. Oder man reagiert bei Nähe auf einmal wie erstarrt. – Sollte dies so sein, dann ist wichtig, dass sie dem neuen Partner oder der Partnerin erklären, dass sie ein Trauma erlebt haben. Noch wichtiger aber ist, dass sie lernen, offen über die Beziehung zu reden und offen über das Bild, das vom anderen in ihnen entsteht. Unterdrücken sie solche Klärungen nicht. Bringen sie sie rücksichtvoll in die Beziehung ein. Etwa so: „In einer vorherigen Beziehung habe ich ein Trauma erlebt und je näher unsere Beziehung wird, desto mehr erwachen in mir Ängste. Ich weiß, dass diese Ängste nicht in deiner Person begründet sind. Ich muss aber trotzdem mit dir offen darüber reden und ich muss manchmal stopp sagen, damit ich erfahren kann, was deine Absichten sind.“ – Wichtig ist bei solchen Gesprächen, dass man dem Partner nichts unterstellt, vielmehr dass man gemeinsam die Wahrnehmung klärt.
  • Bei manchen Menschen ist es schließlich so: Es gelingt in der Phase des Verliebtseins oder in der Phase der Verlobung die Beziehung ganz gut. Man kann Händchen halten, man kann sich auch umarmen. Da abgesprochen ist, dass man mit der Sexualität bis zur Ehe wartet, fühlt sich der traumatisierte Partner sicher. Dann aber, wenn die Ehe geschlossen ist und Sexualität nun möglich wäre, geschieht es, dass Unwohlsein, Distanz, Ängste, Depressionen auftauchen. Wenn das eintreten sollte, dann muss man eine gemeinsame Paartherapie ansteuern. Hoffnungsvoll aber ist: Es gibt Wege der Heilung. Wichtig dabei ist, dass beide Partner sich auf diesen Weg einlassen. Dabei muss der Partner, der kein Trauma erlitten hat, auf den anderen warten. – Leider ist hier nun kein Raum, um zu beschreiben, wie eine solche Therapie aussieht. Nur soviel: Es ist wichtig, dass sich beide Partner klar machen: Intimität besteht nicht aus genitaler Sexualität allein. Es gibt viele Formen des intimen ehelichen Zusammensein und genau diese müssen gestaltet werden, um eine langsame Annäherung möglich zu machen.
  • Mein abschließender Rat: Reden sie mit ihrem Partner auf alle Fälle über das erlittene Trauma. Wenn sie Traumafolgen spüren, wie zuerst beschrieben, dann suchen sie bitte einen Therapeuten auf. Wenn sie keine direkten Traumafolgen im Alltag spüren, dann nähern sie sich langsam. Seien sie achtsam. Auf alle Fälle sollte das Thema Trauma aber in der Ehevorbereitung eine Rolle spielen und vielleicht ist es in dieser Phase hilfreich, die ein oder andere Sitzung bei einem Therapeuten in Anspruch zu nehmen, der sie auf dem Weg wachsender Intimität begleitet.
Markus Hoffmann

AUTOR DES TEXTES:

Markus Hoffmann

verheiratet, Vater von 3 Kindern

Studienleiter LBI:

  • Entwicklungssensible Sexualpädagogik ESSP®
  • Entwicklungspsychologe
  • Sexualberater
2024-02-15T12:46:12+01:00
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