Frage:
Ich kenne befreundete Paare, von denen der Mann entweder gewalttätig ist oder permanent mit einer anderen Frau die Ehe bricht. Wie lange soll sich die Frau das gefallen lassen? Ich weiß, dass diese Paare kirchlich geheiratet haben und sie prinzipiell zu ihrem Versprechen stehen. Aber wann ist der Punkt gekommen, dass sie sich besser trennen sollten?
Antwort:
Es gibt keine absolute Verpflichtung, unter allen Umständen beim Mann zu bleiben. Wenn man Paare in der Ehevorbereitung befragt, wo für sie eine Grenze überschritten wäre, dann kommt praktisch immer der Ehebruch.
In der konkreten Ehesituation ist es aber dann fast immer so, dass Verheiratete dann wesentlich mehr aushalten, als sie sich selber zugetraut hätten. Wenn die echte und ehrliche Bereitschaft da ist, sich zu bessern und zu ändern, dann ist auch die Verpflichtung da, jemanden wieder anzunehmen, auch nach Ehebruch oder Gewalt.
Wenn diese Bereitschaft aber nicht mehr da ist und der Ehebruch oder die Gewalt ein ständiges Problem werden, dann gibt es keine Verpflichtung mehr, beisammen zu bleiben – zum Wohle (meist) der Frau, aber auch der Kinder. Und eine – vorerst – zeitliche und räumliche Trennung kann durchaus ein heilsamer Schock sein. Dann kann es auch zur Besinnung und tatsächlichen Änderung kommen.
Es kann aber auch bedeuten, dass es eine dauerhafte Trennung wird. Dennoch muss man sich immer bewusst halten, dass man trotzdem mit dem getrennten Partner verheiratet bleibt – in diesem Fall eben getrennt lebend. Das Eheband ist ein objektives Band, unabhängig von den persönlichen Umständen, Fehlern, Sünden der einzelnen Beteiligten. Die Gültigkeit einer Ehe ist keine Frage der Schuld, sondern des objektiven Zustandekommens durch das endgültige Ja-Wort. Und genau das wird auch gegebenenfalls bei einem kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren untersucht. Es geht bei einem Annullierungsprozess nie um die Schuldfrage, sondern ob die Ehe zum Zeitpunkt der Eheschließung gültig zustande gekommen ist.
AUTOR DES TEXTES:
Prof. Dr. Helmut Prader
A.o. Professor für Moraltheologie, Vorstand des Instituts für Moraltheologie, Mitglied und Multiplikator beim „Institut für Natürliche Empfängnisregelung Dr. med. Rötzer e.V., Diözesanfamilienseelsorger und Diözesanrichter für Eheannullierungsverfahren in St. Pölten, vormals Bischofsvikar für Ehe, Familie und Lebensschutz in der Diözese St. Pölten, Priester seit 2000